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ich es übersehen kann, hat dann der Reichskanzler die Bundes-
regierungen um Aeusserung ersucht. Da deren Mitteilungen
aber bei Ablauf der Legislatur-Periode noch nicht vollständig
vorlagen, ist weiteres nicht zur Kenntnis des Reichstages ge-
langt. (Entschliessung des Bundesrats 6. Leg.-Per. 2. Sess.
Band 4 Aktenstück 34).
Istnun also zur Bestimmung des Begriffs Armen-Unterstützung,
wie sich aus unserer bisherigen Untersuchung ergibt, in erster Linie
Inhalt und Geist des Wahlgesetzes als massgebend anzusehen,
so ist zu untersuchen, was nun eigentlich den Geist des Wahl-
gesetzes ausmacht und damit ist die Frage nach dem gesetz-
geberischen Grund der Bestimmung eng verknüpft.
Das Wahlgesetz für den Reichstag des Norddeutschen Bun-
des vom 31. Mai 1869 knüpft an den Artikel 20 der Verfassung
des Norddeutschen Bundes an, wonach für den Reichstag der
Grundsatz des allgemeinen Wahlrechts aufgestellt war, ein
Grundsatz, der bereits in dem Preussischen Antrag vom 9. April
1866 auf Berufung einer Nationalvertretung zu Tage trat und
auf die Beschlüsse der Deutschen konstituierenden Nationalver-
sammlung betreffend die Verfassung des Deutschen Reichs und
des Reichswahlgesetzes vom 12. April 1849 zurückgeht. Das
jetzige Reichswahlgesetz hat im wesentlichen die Bestimmungen
des 49er Gesetzes übernommen und dies wird auch in der der
Reichstagsvorlage beigegebenen Druckschrift hervorgehoben. Ins-
besondere ist der $ 3 Ziffer 3 des Reichswahlgesetzes gleichlau-
tend mit dem $ 2 Ziffer 3 des Gesetzes betreffend die Wahlen
der Abgeordneten zum Volkshause vom 12, April 1849. Wenn
nun auch streng genommen, die Beratungen, die zur Annahme
des Gesetzes von 1849 geführt haben, als gesetzgeberisches Ma-
terial schon mangels der Kontinuität der gesetzgebenden Fak-
toren für die Interpretation nicht ausschlaggebend sein können,
um den Geist des Gesetzes, die ratio legis zu finden, so können
und sollen sie doch ergänzend herangezogen werden.