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nicht die individuelle Freiheit Befriedigung und Schutz im Wahl-
recht erhalten solle, dass vielmehr das Beste der Gesamtheit die
Träger dies Rechts bestimmen müsse, dass es sonach sich von
selbst verstehe, dass derjenige, welcher der öffentlichen Armen-
unterstützung anheimfalle, als nicht selbständig das wichtigste
politische Recht nicht ausüben dürfe. In den Verhandlungen
über den Entwurf ist aber lebhaft dagegen opponiert worden,
dass der Begriff der Selbständigkeit in dem Gesetz Einlass
fände, und so ist in der Schlussabstimmung (a. a. OÖ. VII S.
5343), der 1. Lesung mit 422 gegen 21 Stimmen der Begriff
„selbständig« gestrichen worden, und damit selbstverständlich
auch die Bestimmung, dass die Taglöhner, Handwerker-
gehilfen, Fabrikarbeiter nicht wählen dürften (a. a. O. 5346).
Der hier fragliche Satz von der Armenunterstützung ist stehen
geblieben. Daraus folgt nun allerdings nicht zwingend, dass der
(Gesetzgeber die Selbständigkeit als gesetzgeberischen Grund
gänzlich ausschalten wollte, soviel aber erhellt wenigstens daraus,
und den oben angeführten sachlichen Gründen, dass der Man-
gel der Selbständigkeit allein nicht der Grund war, die Wahl-
berechtigung vom Fehlen einer Armenunterstützung abhängig
zu machen.
Wenn nun weiterhin die Ansicht vertreten wird, dass der-
jenige, der keine Steuern zahle, nicht wählen dürfe, so wird dem
mit Recht (so der Abg. Bebel Sten.-Berichte des Reichstags 1869
S. 169) entgegengehalten, dass das Reichswahlrecht einen Steuer-
zensus nicht kenne.
Damit ist aber nicht gesagt, dass der Gesetzgeber, dessen
Willen offensichtlich darauf ging, den durch das Prinzip der
allgemeinen Wahl für ihn bedenklich anschwellenden Kreis der
politischen Rechtsträger einzuengen, nicht bei der Bestimmung
daran gedacht hat, einen verkappten Zensus einzu-
führen. In der Begründung zum Entwurf, Nat.-Vers. VII
S. 5223, ist auch ziemlich deutlich gesagt, dass der Gedanke,