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In neuerer Zeit hat sodann die Wahlprüfungskommission
(11. Leg.-Periode, 4. Anlage-Band S. 3046) anlässlich der Prü-
fung der Wahl des Abgeordneten Raab-Kassel sich nochmals
ex professo mit der Frage befasst, was Armenunterstützung sei.
Raab war mit dem Zigarrenarbeiter Hugo in die Stichwahl ge-
kommen und gegen die Wahl Raabs wurde mit der Begründung
Protest eingelegt, dass die Frau und das Kind Hugos im Landkran-
kenhause zu Kassel als Landarme aufgenommen waren. Die
Mehrheit der Kommission stand auf dem zum Beschluss erhobe-
nen Standpunkte, dass jede Krankenhausbehandlung nach dem
Gesetz als Armenunterstützung anzusehen sei. Lediglich eine kleine
Minderheit machte geltend, dass nur das für das Leben Notwen-
dige an Nahrung, Kleidern, Wohnung unter jenen Begriff falle.
Wenn nunmehr der Versuch gemacht werden soll, diese
Einzelheiten unter einheitliche Gesichtspunkte zu bringen, so ist
davon auszugehen, dass Armenunterstützung naturgemäss nur da
gewährt wird, wo ein Bedürfnis besteht, wo mit anderen Worten
Hilfsbedürftigkeit vorliegt. Dieser Begriff ist, wie schon eingangs
erwähnt, in $ 4 des Freizügigkeitsgesetzes dahin erläutert, dass
hilfsbedürftig derjenige ist, der nicht hinreichende Kräfte besitzt,
um sich und seinen nicht arbeitsfähigen Angehörigen den notdürf-
tigen Unterhalt zu verschaffen und wenn er solchen weder aus
eigenem Vermögen bestreiten kann, noch von einem dazu Ver-
pflichteten erhält. Ist also der Wähler arbeitsfähig und im
Stande, sich selbst zu unterhalten — von dem Wähler als Fami-
lienhaupte soll erst später gesprochen werden, — so ist er nicht
hilfsbedürftig im Sinne unseres Gesetzes. Damit scheiden alle
Fälle aus, in denen Unterstützungen gewährt werden, die nicht den
Zweck haben, einer „Hilfsbedürftigkeit“ abzuhelfen, also unzweifel-
haft die Gewährung des Armenrechts zur Führung von Pro-
zessen, Lehr-, Lernmittel- und Schulgeldfreiheit. Dagegen fällt
unter den Begriff der Hilfsbedürftigkeit die Unterstützung mit
Geld, Kleidungsstücken, mit Arzneien, und durch Krankenpflege