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geringsten Teile des Raumes seitens einer fremden Macht ohne
gleichzeitige Okkupation des Landgebietes des Grundstaates nicht
ausführbar ist.
Ich halte es auch nicht für angezeigt, der Eigentumssphäre
des Grundstaates andere Grenzen zu setzen, als die von der
Natur selbst gezogenen. Verfehlt wäre es, hier die Parallele
des Meeres heranzuziehen; denn während aus grösserer Entfer-
nung von der hohen See aus auf den Küstenstaat nicht mehr
durch Geschütze eingewirkt werden kann, ist auch aus den höch-
sten Raumregionen eine für den Grundstaat überaus nachteilige
Einwirkung denkbar ?.
Nach alledem ist der Raum über einem Staate völkerrecht-
lich als Teil des Grundstaates zu betrachten. Dessen Anspruch
auf Unabhängigkeit und Achtung seitens anderer Staaten er-
streckt sich auch auf den Luftraum über ihm; alles was in diesen
Raum eintritt, befindet sich in dem Gebiete des Grundstaates
und alle Geschehnisse im Luftraum spielen sich im Hoheits-
gebiete des Grundstaates ab.
Wie aber ein Staat, der sein Landgebiet ohne völkerrecht-
lich anerkannte Gründe gegen andere Staaten abschliesst, sich
selbst ausser Verkehr setzt und sich selbst damit des Rechtes
beraubt, die Segnungen des Völkerrechts für sich in Anspruch
zu nehmen, so darf auch der Staat sein Raumgebiet dem inter-
nationalen Verkehr ohne Grund nicht verschliessen, er muss viel-
mehr den Luftfahrzeugen anderer Nationen das „droit de pas-
sage inofiensif“ zugestehen.
Die Gründe freilich, dem internationalen Verkehr in der
Luft Schranken zu setzen, sind um so gewichtiger, als der Luft-
verkehr über einem Staatsgebiete ungleich grössere Gefahren für
den Staat und dessen Angehörige in sich schliesst, als der inter-
nationale Verkehr auf dem Lande und in den Häfen des Staa-
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2 WESTLAKE, Annuaire de l’institut de droit international von 1906
S. 299.