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träglich ausser Kraft gesetzt, so könne dies der Polizei herzlich
gleichgültig sein; habe sie doch ihren Zweck in der Zwischen-
zeit in den meisten Fällen längst erreicht, und hege sie doch
— trotz des Urteilsspruches — das Gefühl der Befriedigung, dem
Gemeinen Besten gedient zu haben; insofern habe die Polizei
vor der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, auch des
Oberverwaltungsgerichtes, keine Angst, brauche mit derselben
auch nicht ernstlich zu rechnen. ....
Diese in einem Rechtsstaate wahrhaft bedauerlichen und
die verfassungsmässig garantierten Rechte der Staatsbürger aufs
äusserste gefährdenden Zustände — Ueberreste des Polizeistaates
von 1850, dessen Gesetze leider auch heute noch gelten! — rufen
laut nach einer Aenderung, da bei ihrer Aufrechterhaltung im
praktischen Ergebnis die Entscheidung über Wohl und Wehe
des Einzelindividuums dem zunächst berufenen Verwaltungsrichter
einfach aus der Hand gewunden und auf die den Machtstand-
punkt über den Rechtsstandpunkt stellende untere Polizei-
behörde übertragen wird. Eine Besserung herbeizuführen dürfte
einmal unser an anderer Stelle? gemachter Vorschlag geeignet
sein, dem Oberverwaltungsgerichte durch gesetzliche Bestimmung
das Recht zu geben, missbräuchliche Benutzung der Polizeigewalt
durch einstweilige Verfügung bereits vor endgiltiger Entscheidung
des Rechtsstreites zu inhibieren; an zweiter Stelle wird dann
aber zu fordern sein, dass das Öberverwaltungsgericht auf
dahingehenden Antrage bei der Urteilsfällung — entweder gleich-
zeitig mit der Ausserkraftsetzung der ungerechtfertigten Polizei-
verfügung oder unabhängig von dieser — ausdrücklich ausz u-
sprechen hat, dass und aus welchen Gründen die Polizei zu
dem vom Verwaltungsrichter reprobierten Vorgehen nicht be-
rechtigt ist. Hierdurch würde selbstredend ein wieder-
2 Siehe: „Der Oberverwaltungsgerichtliche Schutz der Verfassungsgrund-
rechte gegen polizeiliche Ein- und Uebergriffe“, Hannover 1907 (HELwING)
8. 181.