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deren rechtliche Stellung als öffentliche Korporation vor der
Geltung des Ortskirchensteuergesetzes einem Zweifel nicht unter-
liegen konnte ®%, wird die Rechtspersönlichkeit der katholischen
Kirchengemeinde energisch in Abrede gestellt, insbesondere von
MEURER. Dass die katholischen und evangelischen Kirchenge-
meindenschon vor Geltung des Ortskirchensteuergesetzes mit Rechts-
persönlichkeit bekleidet waren, ergibt sich zunächst daraus, dass
sie als parteifähig betrachtet wurden®’. So bestimmt $ 77
der katholischen Kirchenkommissionsordnung vom 31. Okt. 1803,
dass die Kirchenkommission in bestimmten Fällen „die Kirch-
spiele gerichtlich und aussergerichtlich vertrete und deren Rechte
ungeschmälert zu erhalten Sorge trage“. Eine gleiche Bestim-
mung bezüglich der Amtsnachfolger der katholischen Kirchen-
kommission, nämlich der Oekonomiedeputationen enthält auch
das I. Konstitutionsedikts, wonach die Deputationen das Kirchen-
eigentum rechtlich überall zu vertreten hatten, auch für die
Kirchspiele, über welche sie gemäss 8 20 die weltliche Kirchen-
herrlichkeit auszuüben hatten. In zahlreichen badischen Kosten-
gesetzen vor 1888 erscheinen die Kirchspiele als gebührenpflich-
tig, somit als Prozesspartei.
Auch die Vermögensfähigkeit der Kirchspiele ist
anerkannt. In $ 10 des I. Konstit.Ed. wird von dem kirchlichen
Vermögen gesprochen, „das den Kirchspielen einer oder der an-
deren Konfession angehört“. Der begründete vermögensrecht-
liche Anspruch des Kirchspiels gegen den Lehensherrn auf Er-
füllung seiner Bauverpflichtung wird vom Lehenherrlichkeitsedikt
vom 24. März 1808 als ein „wohl erworbenes Recht eines ein-
zelnen Kirchspiels“ bezeichnet, $ 32 des Edikts.
Vergl. Urteil des Oberhofgerichts vom 22. Juni 1867
No. 1356 ®#.
8 Begründung z. OKst.G. S. 19.
8” Vgl. zum Folgenden die grundlegende Beweisführung von Oberstif-
tungsrat SCHMITT in Rechtspraxis 1904, S. 168, 181, 193 fl.
8 Annalen bad. Gerichte 1867 S. 265.