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tisch, somit nicht als Kirchengemeinden Träger einer selb-
ständigen juristischen Persönlichkeit gewesen seien. Diese An-
sicht findet keine Stütze in den badischen Kirchengesetzen des
19. Jahrhunderts. Vielmehr wird die Eigenartigkeit der Kirchen-
gemeinde gegenüber der Zivilgemeinde betont, und werden beide
scharf von einander geschieden. Während die Selbstverwaltung der
politischen Gemeinden in bürgerlichen Dingen stets hochgehalten
wurde, und auch die Staatsbehörden insoweit nur als Aufsichts-
behörden gegenüber der sich selbst vertretenden Zivilgemeinde
erscheinen, werden die Kirchspiele, entsprechend ihrem Charak-
ter als Teile eines hierarchischen Organismus, durch zentrale
Staatsverwaltungsbehörden (katholische Kirchenkommission, Kreis-
regierung) vertreten. Dies gilt ursprünglich auch für die evange-
lische Kirchengemeinde nach 88 19, 20 des I. Konstitutions-
Edikts. Ein solche Zentralisation der Vertretung erklärt sich
nur dadurch, dass man einen Unterschied zwischen den Wesens-
bedingungen der Zivilgemeinde und des Kirchspiels machte,
damit aber jedenfalls ihre Identität verneinte. Dieser Entschei-
dung entspricht es auch, wenn 8 20 des I. Konstitutions-Edikts
den katholischen Kirchenkommissionen die Verwaltung der
Kirchenherrlichkeit gegenüber den Kirchspielen zuweist.
Auch das Bauedikt von 1808 unterscheidet zwischen
Kirchspiel und weltlicher Gemeinde. Es definiert in $ 14 das
Kirchspiel als „diejenige Person, für deren Nutzen die Kirche
gebaut wird“. Nun gibt es zahlreiche Fälle, vor allem bei ge-
mischten Orten, in denen die Kirche nicht zum Nutzen aller
Gemeindebürger, sondern nur der Religionsgenossen erbaut wird.
Eine scharfe Scheidung von Kirchspiel und Zivilgemeinde ist in
8 13 des Bauedikts ausgesprochen, darnach müssen die Anschaf-
fungskosten für die Kirchenuhr von der „weltlichen Ortsgemeinde“,
die Orgel, Altäre, Turm usw. von der „ganzen Kirchspielsge-
meinde“ getragen werden. Vgl. auch die $$ 28 und 26 des
Bauedikts. Dazu kommt dann weiter, dass es in der Praxis