Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 24 (24)

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Es ist unmöglich an dieser Stelle ein Werk von so reichem und viel- 
seitigem Inhalt in seinen Einzelheiten zu besprechen, es sollen hier ledig- 
lich einige Punkte von allgemeiner Bedeutung herausgegriffen werden. 
Was zunächst die Systematik betrifft, so hat der Verfasser eine rein mate- 
rielle Anordnung des Stoffes gewählt, also sowohl die zivilistische Einteilung 
als auch die althergebrachte von Friedens- und Kriegsrecht abgelehnt. Der 
Stoff gruppiert sich folgendermassen: allgemeime Lehren (einschliesslich 
der Geschichte und Literatur), Subjekte, deren Organe, Verkehr, Gebiet, Indivi- 
duen, Regelung gemeinsamer Interessen, Streitigkeiten. Wenn gegen einesolche 
zweifellos übersichtliche und praktische Anordnung ein Einwand zu erheben 
ist, so ist es der, dass dabei der tiefgreifende Unterschied zwischen Kriegs- 
und Friedensrecht nicht oder wenigstens nicht genügend hervortritt. Das 
Kriegsrecht ist nicht nur formelles, sondern auch materielles Recht, im 
Gegensatz zum Prozessrecht (nicht-kriegerische Streitbehandlung) und be- 
ruht überdies auf wesentlich andern Grundlagen als das Friedensrecht. 
In der Behandlung der allgemeinen Grundlagen des Völkerrechts hält 
sich der Verfasser in gleicher Weise von dem Extrem der einseitigen Be- 
tonung der staatlichen Souveränität wie demjenigen der ausschliesslichen 
Hervorhebung der Solidarität und der internationalen Gemeinschaft fern. 
Beide Prinzipien, das individuelle und das soziale, bedingen sich vielmehr 
gegenseitig, nur durch ihren harmonischen Ausgleich kann eine Ordnung 
geschaffen werden, in welcher der nationale Staat, ohne in einem inter- 
nationalen Ganzen aufzugehen, die höchste Entwicklungsstufe erreichen 
kann, die zu erreichen ihm in der Isolierung nicht möglich wäre. Damit 
ist wohl für alles Weitere der richtige Ausgangspunkt gewonnen. In einer 
Richtung allerdings möchten wir den Begriff der Gemeinschaft noch etwas 
präzisieren und ihn nicht als einheitliches Ganzes in Gegensatz zur natio- 
nalen Souveränität stellen. Es scheint uns, dass wie fast alle Autoren 
so auch v. Ullmann die völkerrechtliche Gemeinschaft zu sehr im Sinne 
einer, wenn auch überaus lockeren, organischen rechtsbildenden Einheit auf- 
fasst. Unleugbar ist die Herausbildung einer solchen internationalen Rechts- 
gemeinschaft die Entwicklungstendenz des Völkerrechts, aber das wirklich 
gemeinsame positive Recht und die Möglichkeit seiner Ausdehnung sind 
heute doch noch sehr beschränkt. Die gegenwärtige Gemeinschaft zwischen 
Staaten ist weniger eine soziale, organische, als einemehr mechanische, auf 
dem Nebeneinandersein beruhende. Die internationalen Verhältnisse finden 
ihre Regelung weniger durch autonome oder aus dem Gemeinschaftsprinzip 
fliessende Satzung als durch vertragliche Konzessionen, die zwei oder mehr 
Staaten sich gegenseitig machen über das von der Völkergemeinschaft posi- 
tiv Geforderte hinaus. Die partikuläre Satzung ist der Rechtsstoff, der das 
internationale Leben tatsächlich zum grössten Teil erfüllt; diese ist nun aber 
nicht bloss ein Derivat des allgemeinen Rechts, sondern das letztere ist 
vielmehr, wie die geschichtliche Entwicklung zeigt, ein aus dem partiku-
	        
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