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ist. Jede Beschränkung der Selbsthilfe, z. B. durch einen Schiedsvertrag,
hat aber nur den Charakter eines singulären Ereignisses, solange nicht die
Staatengemeinschaft durch einen Kollektivakt diese Beschränkung der auto-
nomen Gewalt als ein allgemeines Interesse erklärt und die Pflicht der
Staaten sich auf das rechtliche Verfahren einzulassen statuiert. Die Mittel
zur Wahrung des Kollektivinteresses an der Ersetzung der Selbsthilfe durch
den Rechtsweg sind heute allerdings noch rudimentär, sie bestehen in der
Hauptsache lediglich in der Bereitstellung von Institutionen, welche das
rechtliche Verfahren erleichtern. Die Entwicklung der nationalen Justiz
weist in dieser Beziehung übrigens verwandte Züge auf. Von dem Ab-
kommen betr. die gewaltsame Eintreibung von Geldforderungen abgesehen,
sind die Bestrebungen, die Einlassungspflicht durch Kollektivakt zu sta-
tuieren, bisher gescheitert. Aber auch hier ist die partikuläre Normsetzung
die Vorläufer in der kollektiven. Die ca. 60 sog. permanenten Schiedsver-
träge lassen die Beschränkung der Selbsthilfe zwar immer noch als einen
Akt der Autonomie der kontrahierenden Staaten erscheinen, doch immerhin
so, dass die Autonomie wenigstens unter gewissen Voraussetzungen für den
einzelnen Fall ausgeschaltet wird und das dauernde Friedensinteresse der
beteiligten Staaten gegenüber vorübergehendeu Störungen gesichert wird.
Wie das ULtmann’sche Völkerrecht sich in seiner zweiten Auflage ver-
jJüngt und dem neusten Stande der Praxis und Literatur angepasst hat, so
wird es gewiss auch in weiteren Auflagen sich immer wieder verjüngen
und die führende Stellung in der deutschen Literatur behaupten, die diesem
Werk gebührt wegen seines reichen Inhalts, seiner Zuverlässigkeit, der
gleichmässigen Berücksichtigung historischer und dogmatischer Methode,
vor allem aber auch wegen des wahrhaft staatsmännischen, ruhigen und
abgeklärten Urteils des Autors in den Fragen des internationalen Lebens.
Max Huber.
Karl Lamp, Professor an der Universität Czernowitz, Die Person des
Zollschuldnersin der Zollrechtsgeschichte (Aus
den staatsrechtlichen Abhandlungen, Festgabe für PAUL LABAND
zum 50. Jahrestage der Doktor-Promotion) 1. Band, "Tübingen, Ver-
lag von Mohr (Paul Siebeck) 1908, Seite 463 bis 532.
Es ist ein interessantes Spezialkapitel der Finanzverwaltung, das der
Verfasser in eingehender geschichtlicher Betrachtung und vom rechtsdogma-
tischen Gesichtspunkte aus beleuchtet. Es handelt sich dem Verfasser dar-
um, die Eigenart der Zollschuldigkeit in ihrem geschichtlichen Werdegang
zur Anschauung zu bringen. Er verfolgt den Charakter der Zollschuld
im römischen Rechte bis in die neueste Entwicklungszeit, im deut-
schen Rechte undinden neuesten Kodifikationen speziell
auch in der österreichischen Zoll- und Staatsmonopol-Ordnung vom Jahre
1835 und in dem auf dem preussischen Zollgesetze vom Jahre 1818 beruhen-