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gibt kein Gesetz, das den Ausschluss, der Prostituierten vom
droit commun rechtfertigen kann. Eine andere Frage aber ist
es, ob nicht doch gegenüber den Prostituisten besondere weiter-
gehende Massregeln innerhalb des gemeinen Rechts möglich sind.
Auf diese Frage werde ich noch unten zu sprechen kommen.
II. Die Religionsfreiheit als Grenze der Polizeige-
walt hat die Bedeutung, dass kein Bürger zu einer Handlung
gezwungen werden darf, die dem Bekenntnis, das er unter Garantie
der Verfassung ausübt, entgegen wäre. Daher ist jede polizeiliche
Anordnung religiöser Handlungen unzulässig. So hat z. B. der
Kassationshof wiederholt für unzulässig erklärt eine Verordnung,
die allen Bürgern auferlegt, ihre Häuser für die äusseren
Zeremonien des katholischen Gottesdienstes zu schmücken, sowie
das Verbot, während der Fastenzeit Fleisch zum Verkauf auszu-
legen!’, Anordnungen, die wie wir sahen, vor Proklamierung der
Religionsfreiheit, im Polizeistaat als normale Ausübung der Polizei-
gewalt erschienen. Die Religionsfreiheit steht jedoch nach der
Rechtsprechung des Kassationshofes nicht entgegen der obrig-
keitlichen Ueberwachung des (zottesdienstes und denjenigen
Polizei- und Sicherheitsmassregeln ohne die diese Ueberwachung
nicht wirksam sein könnte!®, Auf welchen Grundsätzen diese
unterschiedliche Bewertung der Religionsfreiheit als Grenze der
Polizeigewalt beruht, wird noch unten zu besprechen sein.
III. Eine weitere Grenze ist der Polizei gesetzt durch das Prinzip
der Gewerbefreiheit. Dies hat nicht die Bedeutung, dass
jede polizeiliche Einschränkung des Gewerbebetriebes unzulässig
ques 1828 p. 200 abgedruckte Botschaft des Direktoriums vom 17 nivose
an 1lV, erkennt ausdrücklich an, dass die älteren Verordnungen betr. die Pro-
stitution keine Geltung mehr haben. — Vgl. ferner zum obigen BATBIE 61,
sowie neuerdings A. de MoRSIER, La police des moeurs en France et la
campagne abolitionniste 1901 p. 19ss. und E. DoLL£fans, La police des
moeurs 1903 p. 31ss.
17 GRÜN 225, 372, BERTHELEMY 237, D. 403.
18 GRÜN 90 ff., BLock 1067, 1774, D-S. 118.