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gewerbe grössere Beschränkungen auferlegt werden als anderen
Gewerben? Warum kann die Polizei eingreifen, wenn die Be-
schaffenheit eines Grundstückes die Passanten auf der Strasse
stört, nicht aber wenn sie den Nachbar in der Ausübung seiner
Rechte stört? Aus dem Wesen der Freiheiten und des Eigen-
tums lassen sich diese Unterscheidungen nicht ableiten, ihre
Gründe liegen vielmehr in dem Wesen der Polizei. Es zeigen
sich hier jene Grundsätze in Tätigkeit, die nach dem in
der Einleitung Gesagten durch Einschränkung der Polizeigewalt
gegenüber ihren früheren allgemeinen Befugnissen im Polizeistaat
ihr Wesen im gegenwärtigen Staat bestimmen. Und zwar ist
es bei den bisher angeführten Beispielen der Grundsatz der
Oeffentlichkeit, der den Umfang der Polizeigewalt bestimmt.
Während im Polizeistaat die Polizeigewalt schlechterdings das
Leben des Einzelnen regelte, ist ihre Aufgabe seit der Revolution
auf die Herstellung eines geordneten Nebeneinanderlebens der
(Gesamtheit, der societe oder des Publikums, wie es das Allg.
Landrecht ausdrückt, beschränkt. Die Erklärung der Menschen-
und Bürgerrechte vom Jahre 1789 bestimmt in Art. 5: „La loi
n’a le droit de defendre que les actions nuisibles A la societe.“
Dieser Satz ist gegenüber dem souveränen Gesetz als Rechts-
schranke wertlos. „Dagegen wird er von rechtlicher Bedeutung
in dem umfassenden Gebiete der Machtübertragungen, durch
welche das Gesetz die Verfolgung der einzelnen Polizeizwecke
in ganz allgemeiner Weise an die Behörden abgegeben hat.
Denn es muss angenommen werden, dass es damit nur hat er-
mächtigen wollen zu Dingen, welche nach der Volksanschauung
noch zur Polizeigewalt gehören, weil sie Schädlichkeiten für die
besellschaft darstellen, öffentliche Interessen berühren,
im Gegensatz zu dem frei bleibenden Privatleben“. (O. MAYER.)
So haben denn tatsächlich die gesetzlichen Delegationen der
Polizeigewalt seit 1790 dieser nur übertragen die Sorge für bon
ordre, sürete et tranquillitG publiques. Dem hierin ent-
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