— 357 —
liche Anordnung nur Dinge zu regeln hat, die die Allgemeinheit
berühren, so muss sie sich auch in der Regel an die Allgemein-
heit wenden, sie muss das gesamte Publikum in gleicher Weise
verpflichten. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen: 1) Wenn
die Polizei einmal eine allgemeine Anordnung im Interesse der
Allgemeinheit getroffen hat, so darf sie nicht durch besondere
Anordnung im Interesse eines Einzelnen diesen von der allge-
meinen Verbindlichkeit ausschliessen. Es ist der Polizeibehörde
nicht gestattet, Einzelnen das zu erlauben, was sie ohne Unter-
schied allen verboten hat. Die polizeilichen Anordnungen sind
vielmehr ebenso bindend für die erlassende Behörde als für den
Bürger, solange sie nicht von ihr selbst oder höheren Behörden
durch gleichfalls allgemeine Anordnung aufgehoben oder abge-
ändert worden sind. Die Polizeigerichte würden daher den einem
Einzelnen erteilten Dispens als rechtsungültig unbeachtet lassen
und zu einer Verurteilung gemäss dem allgemeinen Verbot ge-
langen müssen’®. — 2) Die Polizei hat in der Regel nur all-
gemeine Anordnungen an die Allgemeinheit zu erlassen, nicht
individuelle an Einzelne. — Die Regel, dass die polizeilichen
Anordnungen in allgemeiner Weise geschehen sollen, hat jedoch
keine unbedingte Gültigkeit, ihre Gültigkeit ist vielmehr bedingt
Jurch das Vorhandensein des allgemeinen Interesses, das allein
ein unbedingtes Prinzip für die Kompetenz der Polizeigewalt
darstellt. Daher ergeben sich für die zwei aufgestellten Folge-
sätze jener Regel folgende Modifikationen. Zu 1: Es ist möglich,
dass einerseits im allgemeinen Interesse allgemeine Anordnungen
nötig erscheinen, dabei sich aber andererseits gleichzeitig die
Perspektive eröffnet, dass für gewisse Fälle oder gewisse Personen
das polizeiliche Interesse, d. h. also das Interesse der Allgemein-
heit, die in der allgemeinen Anordnung enthaltene Freiheits-
beschränkung nicht erforderlich, oder sogar nicht wünschenswert
macht. Für derartige Eventualitäten besteht eine Ausnahme von
” Vgl. unten S. 390 und die dort Zitierten.
Archiv für öffentliches Recht. XXIV. 3. 25