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dargelegt habe, die Berechtigung zur Reglementierung der Pro-
stitution ab. Die Sittlichkeit als solche ist kein Gegenstand der
Polizei; so hat das belgische Recht die polizeiliche Ueberwachung
der Schauspiele beschränkt auf den Zweck der öffentlichen Ord-
nung, wobei in den Verhandlungen der zweiten Kammern die
Sittlichkeit als Zweck der polizeilichen Tätigkeit ausdrücklich
ausgeschlossen worden ist. Nur dann wird die Sittlichkeit Gegen-
stand der Polizei, wenn ihre Verletzung gleichzeitig eine Störung
der polizeilich zu schützenden Interessen, der öffentlichen Sicher-
heit, Ruhe und Ordnung enthält. Daher sind Anordnungen gegen
die Liederlichkeit und Unsittlichkeit der Arbeiter und Dienst-
boten für zulässig erachtet worden, weil sie die Erhaltung der
öffentlichen Ruhe bezwecken. Ebenso sind Massregeln gegen
femmes de mauvaise vie nach Ansicht des Kassationshofes nur
dann gerechtfertigt, wenn die Führung dieser Frauen geeignet
ist, die öffentliche Ordnung, Sicherheit und Gesundheit zu ge-
fährden. Die Sittlichkeit als solche gehört nicht in den Kompe-
tenzkreis der Polizei, sondern erst dann, wenn die atteinte aux
moeurs serait en m&öme temps une atteinte ä l’ordre public !#".
Dieselben Grundsätze halte ich für das preussische Recht für
massgebend, doch verkenne ich nicht, dass diese Ansicht einer
näheren Begründung bedarf, für die jedoch hier nicht der Platz ist.
8 5.
3. Zwei weitere Grundsätze des Polizeirechts.
1. Die Zwecke der Polizei sind es, wie wir gesehen haben,
die die Grundlagen und Grenzen der Polizeigewalt enthalten.
Daher ist es ein alter Satz des Polizeirechtes: die Polizeigewalt
darf nie weiter gehen als ihr eigentümlicher Zweck es erfor-
131 GRÜN 283, GIRON, Le droit administratif de la Belgique (1885) II,
239 f.