— 437 —
dass auf seite der Arbeitnehmer die Vertretung von Männern
und Frauen im Verhältnis ihrer Zahl gefordert würde. Eine
Unterdrückung der Geschlechtsminorität wird sonst kaum aus-
bleiben.
Eine Lebensfrage der AK. insbesondere als Einigungsamt
ist der Vorsitzende. Gerade bei dem Prinzip der Parität, wel-
ches der Entwurf obenhinstellt und bei der sozialen Trennung,
mit welcher bei den beiden Gruppen der Arbeitgeber und der Ar-
beitnehmer zu rechnen ist, ist die Stellung des Vorsitzenden von
der allergrössten Wichtigkeit und da der Entwurf ihm nicht nur
volles Stimmrecht, sondern auch eine ganze Reihe wichtiger Ver-
waltungsbefugnisse zudenkt, so ist es von entscheidender Bedeu-
tung, dass er der Mann des Vertrauens beider Gruppen werde.
Wer aber soll Vorsitzender sein? Der Entwurf lässt der er-
nennenden Aufsichtsbehörde völlig freie Hand, nur dass er weder
Arbeitgeber noch Arbeitnehmer sein darf. Nach dem französi-
schen Dekret vom 17. Juli 1908 sollen in den Arbeitskammern
Frankreichs die getrennten Sektionen der Arbeitgeber und der
Arbeiter je ihren Präsidenten selbst aus ihrer Mitte wählen
(Art.2 Abs. II). In Belgien werden nach dem Entwurf vom
23. Januar 1907 die Sektionspräsidenten zwar durch den Arbeits-
minister ernannt, aber nach Vorschlagslisten der Sektionen und aus
deren Mitgliedern. Der deutsche Entwurf gibt den Arbeitskam-
mern selbst kein Recht der Einwirkung auf die Wahl des Vor-
sitzenden. Dass bei dem zur Zeit vorherrschenden Geist der
deutschen Sozialgesetzgebung ein Abgehen von dem Prinzip der
aufsichtlichen Ernennung erwartet werden könnte, ist wohl aus-
geschlossen. Die Ernennung mag der Aufsichtsbehörde auch zu-
kommen. Ein Vorschlagsrecht der Kammern aber würde sich
empfehlen und jedenfalls ist zu wünschen, dass nicht nur Staats-
beamte im Nebenamt, sondern auch andere mit dem gewerblichen
und geschäftlichen Leben vertraute Personen zu diesen Stellen
berufen würden. Den grundsätzlichen Ausschluss der Kammer-
Archiv für öffentliches Recht. XXIV. 3. 30