— 44 —
Code penal BENTHAMm neben MONTESQUIEU und BECCARIA als
denjenigen Schriftsteller, der auf die Abfassung dieses Gesetz-
buches wesentlichen Einfluss genommen hatte? Es scheint
demnach, dass die Redaktoren des Code Napoleon die Bedeutung
des „Stubengelehrten“ wesentlich höher einschätzten, als Lucas.
Was nun das österr. allgem. bürgerl. Gesetzbuch und seine
Verfasser anlangt, so möchte ich nicht mit Lucas gar zu viel
(Gewicht darauf legen, dass in ZEILLERs Vortrag v. 21. Dezem-
ber 1801 unter den Schriftstellern und Rechtsphilosophen, welche
bei Abfassung eines Gesetzbuches in Betracht kamen, BENTHAM
nicht mit einer Silbe erwähnt wird; denn BENTHAMs Buch
erschien erst 1802. \Vie sehr er aber trotzdem auf die Redak-
toren des österr. Gesetzbuches eingewirkt hat, wird der Schluss
dieses Aufsatzes klarlegen. Der wesentliche Punkt, auf den es
ankommt, ist, dass der „alleruntertänigste Vortrag“ vom 19. Januar
1808, womit der Entwurf des allgemeinen bürgerlichen Gesetz-
buchs „zur höchsten Schlussfassung“* vorgelegt wurde, die Ge-
schlossenheit der Kodifikation ganz im Sinne BENTHAMs for-
dert *; dieses ist das Novum, das BENTHAM brachte.
In diesem Vortrage heisst es u. a.°: „Wenn der Bürger aus
dem Codex den ganzen Umfang seines Privatrechtes soll erkennen
können, so ist die IV. wesentliche Eigenschaft die Vollständig-
keit. Der Codex darf nicht nur keinen Zweig der Rechtsgeschäfte
übergehen, sondern er muss auch für jeden Rechtszweig so er-
schöpfende Vorschriften enthalten, dass der Richter und Rechts-
gelehrte jeden möglichen Rechtsfall daraus zu entscheiden fähig sei‘.
Man vergleiche einmal damit ein Gesetzbuch, das vor der
Zieit BENTHAMS liegt, nämlich das ALR. für die preuss. Staaten.
Die Auffassung, die SUAREZ und v. CARMER von der Bedeutung
einer Kodifikation des ALR. hatten, war von einer solchen Ge-
® Siehe BENTHAM, Works edit. Bowering IV 514.
* Siehe darüber weiter unten.
5 Siehe OFNeEr, Urentwurf II S. 469,