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schlossenheit des Rechtssystems weit entfernt. Es war die Zeit
der Suspension des allgem. Gesetzbuchs und die Frage tauchte
auf, ob die Erwerbung von Südpreussen nicht Anlass geben sollte,
das suspendierte Gesetzbuch zunächst in dieser Provinz und dann
im ganzen Königreich einzuführen. DANCKELMANN hatte statt
(ler Reaktivierung bloss ein offizielles Handbuch zum Unterricht
für Richter und Anwälte empfohlen, und zur Unterstützung dieser
Ansicht angeführt, dass ein Gesetzbuch doch niemals vollständig
sein könne. Darauf erwiderten SUAREZ und von ÜARMER (d.h.
das Konzept stammt von SUAREZ, die Unterschrift von v. CARMER®):
„Dass es nicht möglich ist, für alle einzelnen Fälle Gesetze zu
geben, und dass nur allzu oft Handlungen und Umstände ein-
treten, die nicht nach buchstäblichen positiven Vorschriften, son-
dern nur nach richtigen Herleitungen aus Begriffen und Prinzipien
oder nach der Analogie beurteilt und entschieden werden müssen,
ist freilich wahr, und beweist die Eingeschränktheit und Unvoll-
kommenheit aller menschlichen Einrichtungen. Daraus aber,
dass die Gesetzgebung nicht alles tun kann, folgt noch nicht,
ddass sie garnichts tun könne. Es wird ihr noch immer möglich
bleiben, teils aus den Begriffen gewisse allgemeine Grundsätze
richtig herzuleiten und aufzustellen, die dem Richter bei der Be-
urteilung solcher Fälle und Umstände, über die kein positives
Gesetz vorhanden ist, zur Direktive dienen müssen; teils besonders
in den gewöhnlichen Geschäften des bürgerlichen Lebens die am
häufigsten vorkommenden Fälle zu klassifizieren und mit Hilfe
der Induktion auf gewisse allgemeine Regeln zu führen, teils aber
auch unter dem Beistande der Erfahrung diejenigen Fälle zu
finden, wo Zweifel und Verschiedenheiten über die richtige Art
der Herleitung aus den Begriffen am meisten zu erwarten sind,
und diejenige Art, welche für die richtige angenommen werden
soll, zu bestimmen. Je mehrere dergleichen Fälle im Gesetz
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° Manuskript, Materialien z. ALR. Bd. 88, F. 19 im Königl. Preuss.
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