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bestimmt sind, desto zuverlässiger wird die Analogie, welche dem
Richter in den unbestimmt gebliebenen Fällen zum Leitfaden
dienen muss. Auch bin ich der Meinung, dass, wenn über eine
gewisse Art und Klasse solcher Fälle eine aufiallende Verschieden-
heit richterlicher Entscheidung sich äussert, der Gesetz-
geber mit Ergänzungen zutreten und solchergestalt
sein Werk nach und nach der Vollkommenheit
immer näher bringen müsse. Eben dieser Zweck liegt haupt-
sächlich mit bei der Fundierung der Gesetz-Kommission zum
Grunde“. —
Also während nach dem österr. allgem. bürgerl. Gesetzbuche
der Richter infolge des Dogmas „der Geschlossenheit“ jeden
Rechtsfall aus dem Gesetzbuche entscheiden kann und muss und
deshalb keine Lücke des Rechts anerkannt wird, sieht das ALR.
(d. h.seine Redaktoren) von vornherein resigniert auf die Möglich-
keit solcher Lücken und will nur, dass das Gesetzwerk nach und
nach der Vollkommenheit immer näher rücke. Was erklärt diese
verschiedene Auffassung der Redaktoren des österr. und des
preuss. Gesetzbuches? Mit Erlaub nur die Tatsache, dass zwischen
beiden Kodifikationen der Einfluss BENTHAMSs liegt.
Il.
Ich halte mich demnach nicht widerlegt, und glaube, dass
Lucas in seiner Darstellung BENTHAMm nur deshalb ausschalten
konnte, weil er das Dogma von dem Willen des Gesetzgebers
auf de Gebundenheit des Richters an das Ge
setz einschränkt und nicht, wie er sollte, auch auf die @e-
schlossenheit und Lückenlosigkeit des durch die
Kodifikation geschaffenen Rechtssystems ausdehnt.
Aber selbst in dieser Beschränkung hätte ich die Schrift
von LUCAs mit grosser Freude begrüsst, wenn sie uns nur eine
zuverlässige Darstellung der geschichtlichen Entwicklung des
Dogmas von der „richterlichen Gebundenheit“ gebracht hätte.