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der, soweit man überhaupt die Möglichkeit nicht souveräner
Staaten zugibt, Staatsrechtslehrer und entschiedener Verteidiger
der Rechtsansprüche Finnlands, JELLINEK, wenigstens noch vor
kurzem darauf bestanden, dass das Verhältnis zwischen Russland
und Finnland keine Staatenverbindung sei und Finnland dem
streng juristischen Staatsbegriff nicht entspreche. Da die Gründe
und Argumente JELLINEKs ziemlich allgemein bekannt sein dürften,
sollen hier nur einige von seinen Einwänden gegen den staat-
lichen Charakter Finnlands sowie seine aus der theoretischen
Konstruktion hergeleiteten praktischen Folgerungen einer Prü-
fung unterzogen werden®. Die historische Tatsache der Ent-
stehung eines Staates von gewissen formalen Bedingungen ab-
hängig machen zu wollen, dürfte nunmehr allgemein als ein un-
richtiges Verfahren anerkannt sein. Das rechtsgültige Bestehen
eines Staates kann nicht, ad instar eines privatrechtlichen Rechts-
geschäfts, wegen angeblicher formaler Mängel bei der Entstehung
beanstandet werden, wenn das betreffende Gemeinwesen nur im
übrigen den Staatscharakter aufweist. Insbesondere ist wenig-
stens für einen nichtsouveränen Staat nicht erforderlich, dass er
in irgend einem Moment als selbständiges völkerrechtliches Sub-
jekt bestanden und als solches seine auswärtigen Angelegenheiten
geordnet habe*. Dies geht u. a. aus der Art und Weise vor,
wie sich amerikanische Territorien in Staaten umwandeln. —
® Seine Auffassung von der staatsrechtlichen und politischen Stellung
Finnlands hat JELLINEK bekanntlich im Laufe der Zeit wesentlich geän-
dert. Nachdem er seine früheren (in der „Lehre von den Staatenverbin-
dungen*® vorgebrachten) Bedenken hinsichtlich der Entstehungsweise eines
finnländischen Staates, welche auf die Auffassung des Landes als einfacher
Provinz ausgingen und an Missverständnissen der geschichtlichen Tatsachen
litten, hatte fallen lassen, hat er später die staatsrechtliche Stellung Finn-
lands, wie sie sich im Lichte der wirklichen Vorgänge und seiner Gesetzes-
urkunden zurzeit darstellt, zum Gegenstand wiederholter interessanter Er-
örterungen gemacht. Siehe JELLINEK: Staatenverbindungen; Ueber Staats-
fragmente; Allgemeine Staatslehre II. Aufl.
* Vgl. hiezu JELLINEKs Ausführungen in „Staatsfragmente“ S. 42,