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Kodifikation der finnländischen Grundgesetze — zum Teil in-
folge der durch politische Vorsicht vorgeschriebenen Regel:
quieta non movere — vorgenommen worden ist, sind gewisse,
durch die Vereinigung Finnlands mit Russland eo ipso abge-
änderte Bestimmungen der älteren, ursprünglich schwedischen,
aber seit 1809 als finnländisches Verfassungsrecht geltenden Grund-
gesetze trotzdem formell unverändert geblieben. Jedenfalls grün-
det sich eben die Verbindung der beiden Staaten darauf, dass
Russland allein die auswärtige Politik handhabt, das Reich als
eine Einheit nach aussen vertritt sowie durch seine Gesetze allein
den Monarchen als physische Person bestimmt. Als Rechts-
persönlichkeit dagegen unterscheidet sich der Grossfürst
von Finnland durchaus vom russischen Kaiser; er ist ausschliess-
lich durch die finnländische Konstitution im Rechtssinne quali-
fiziert und individualisiert und übt, unter Mitwirkung finnländi-
scher Behörden, eine eigenartige Herrschergewalt in Finnland
aus. Zieht man also die rechtliche Seite in Betracht, so dürfte
die Organhoheit Finnlands nicht beanstandet werden können.
Als physische Person ist zwar der finnländische Gross-
fürst sozusagen gänzlich dem Kaiser untergeordnet und von ihm
abhängig, da Finnland keine eigene Thronfolgeordnung hat, dieses
Rechtsgebiet vielmehr von Russland absorbiert ist. Hier ist ın
der Tat die Zusammengehörigkeit innigerer Art alsin einer Real-
union. Es ist aber nicht einzusehen, warum ein derartiges Ver-
hältnis an und für sich ein Land seines staatlichen Charakters
berauben sollte”. Das Hauptgewicht muss wohl auf die recht-
5 Anerkanntermassen kann z. B. die Organhoheit eines nicht souveränen
Staates in der Weise eingeschränkt sein, dass die Regelung der Thronfolge
die Kreierung des Monarchen, der ausschliesslichen Kompetenz der staat-
lichen Gesetzgebung entzogen und an die Mitwirkung oder Zustimmung
fremder Staaten gebunden ist; es genügt auf die bisherigen Verhältnisse
in Bulgarien und auch im Kongostaat hinzuweisen. — Eine relative Un-
selbständigkeit des höchsten Organes ist also nicht a priori als mit dem
Staatsbegriffe unverträglich zu bezeichnen.