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Seite behaupten, dass eine angeblich bei der Vereinigung unter-
gelaufene Klausel: rebus sic stantibus einer eigentlichen
staatlichen Assimilation nun nicht mehr im Wege stehe, weil
die konstitutionelle Regierungsform des ganzen Reiches alle
partikulären konstitutionellen Vorrechte in sich vereinige und ihre
Notwendigkeit beseitige.
Es lässt sich in der Tat leider nicht bestreiten, dass auch
in dem heutigen konstitutionellen — oder halbkonstitutionellen —
Russland mächtige Stimmen eine Schmälerung und Aufopferung
der politischen Rechte Finnlands fordern. Ganz Europa kennt
die Programmrede des russischen Ministerpräsidenten in der
Duma aus Anlass der an die Regierung gerichteten, auf eine
falsche Auffassung der Rechte Finnlands gegründeten Interpella-
tionen. Im Juni 1908 wurde, in Uebereinstimmung mit der ge-
nannten Programmrede, von der russischen Regierung eine ein-
seitige Verfügung getroffen, welche die Unterordnung rein finn-
ländischer Angelegenheiten unter das Prüfungsrecht des russi-
schen Ministerrates vorschrieb und eine offenbare Verletzung der
verfassungsmässigen Rechte Finnlands enthielt. Nur eine halbe
Anerkennung seit einem Jahrhundert bestehender Rechte, be-
wusste Verhehlung oder falsche Interpretation relevanter Tat-
sachen und beständige Wiederholung falscher Theorien, die von
objektiv urteilenden Rechtsgelehrten schon längst einstimmig ver-
worfen worden sind! — Man möge nur die Stellung der dritten
Duma zu der finnländischen Frage mit der durchaus freund-
schaftlichen, liberalen und anerkennenden Haltung der ersten
und zweiten Duma Finnland gegenüber vergleichen, um einzusehen,
welchen grossen Rückschritt die russische Volksvertretung ge-
macht hat, da sie sich nicht natürlich und ungezwungen hat
entwickeln dürfen. — Aber es ist hier nicht der Ort, sich auf
die politischen Tagesereignisse einzulassen. Es mag nur die
rechtlich ebenso unzweifelhafte wie bedeutungsvolle Tatsache
hervorgehoben werden, dass die „Konstitutionalisierung“ Russ-