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geht, an, sie nach Spezialregeln zu entscheiden und hiebei die
Rechte des Staates mit den Rechten der Einzelnen zu vereinen.
Der Staatsrat findet solche Regeln nirgends vor. So bleibt nichts
übrig als sie zu schaffen. An die Stelle der anatomischen Zer-
gliederung der Rechtsdogmatik tritt ein physiologischer Lebens-
prozess der Rechtsbildung.
Nichts wäre verfehlter, als diesen Vorgang durch Schlag-
worte kritisch erledigen zu wollen. Die eigenartige Erscheinung
kann nur aus der eigenartigen Stellung des französischen Staats-
rates verstanden werden. Er ist kein über den Parteien stehen-
der Richter. Er steht in der Verwaltung mitten drin, ist eines
ihrer Organe und seine richterliche Funktion wird so „Selbst-
kritik der Verwaltung“ 3%.
Die Wurzeln dieses Phänomens reiehen tief hinab in das
Erdreich historischer Vorgänge und ihrer psychologischen Reak-
tionen. Auf einer gewissen Eintwicklungsstufe des öffentlichen
Geistes wird der unkontrollierte Druck der öffentlichen Gewalt
unerträglich. Ihre zweckmässige Beschränkung wird überall zum
Kanon des Rechtsstaates. Man versucht es zunächst mit Ge-
setzestexten. Allein die praktische Erfahrung eines Jahrhunderts
hat den Glauben an die Allmacht des Gesetzes stark erschüttert
und die Unzulänglichkeit der Gesetzesschranken erwiesen. Die
administrative Gesetzgebung ist kasuistisch, ihr Gewebe weitma-
schig. Die öffentliche Gewalt behauptet ihre Uebermacht und
auch der Bürger des Rechtsstaats ist in der Hand ihrer bureau-
kratischen Werkzeuge. Aber die Reaktionen des erstarkenden
staatsbürgerlichen Bewusstseins werden kräftiger. In dem Zu-
3 HAuRIOUV, La gestion administrative 62: „La jurisprudence admini-
strative n’est pas plus asservie aux textes particuliers ici que pour exc&s
de pouvoir, elle peut suppleer & leur silence en consultant simplement la
conduite de l’administration, ce qui est d’autant plus facile que ses atta-
ches administratives sont plus etroites et que, dans une certaine mesure,
elle est ladministration elle-möme jugeant ses propres
intentions.®
Archiv für öffentliches Recht. XXIV. 4. 37
