— 568 —
V. Die Geltendmachung der Schadenshaftung.
Die Auslieferung der Entschädigungsansprüche an die Ver-
waltungsbehörden — so viel ist klar — wäre gleichbedeutend
mit ihrer Preisgabe. Es kann vernünftigerweise nur von der
Kompetenz der Verwaltungsgerichte die Rede sein. Als
seinerzeit ein frischer Luftzug aus dem Westen europäische Ideen
auch nach dem alten Oesterreich herübertrug, wurde das Reichs-
gericht geschaffen. Aber es ist nun einmal das Verhängnis die-
ses Staates, dass der Reichtum seiner Kräfte auf keinem Gebiete
voll ausgenützt wird. Dieses hohe Tribunal — durch seine Be-
setzung mit den erlesensten, höchstqualifizierten Juristen des
Staates, durch seine verfassungsmässige Sonderstellung und seine
Bewegungsfreiheit dem französischen Staatsrate mindestens eben-
bürtig — ist in Beschaulichkeit versunken. In dem Berichte des
1867 er Verfassungsausschusses über das Reichsgerichtsgesetz
heisst es ®!: „Der Schutz des ordentlichen Richters mag dort ge-
nügen, wo der Staat als Partei seine Forderungen oder Einwen-
dungen nur aus der feststehenden Privatrechtsgesetzgebung ab-
leitet. Dort aber, wo es sich um Fragen öffentlichen Rechtes
handelt, wo das Recht des einzelnen nicht durch feste Normen
abgegrenzt ist, sondern dehnbaren Rücksichten auf das gemeine
Beste, wandelbaren Ansichten über Notwendigkeit und Nützlich-
keit gegenübersteht, dort ist der Schutz eines richterlichen Or-
ganes nötig, welches durch seine hohe Stellung, seine Unab-
hängigkeit und Unbefangenheit die möglichste Gewähr bietet,
dass auch in solchen Fällen nicht die arbiträre Gewalt der Ad-
ministration, sondern Recht und Billigkeit zur Geltung kommen
werden.“ Aber dieses schöne Programm ist kaum zur Ausfüh-
rung gelangt. Ganz gewiss nicht in der Entschädigungsfrage.
Das strenge Recht allerdings wurde gewissenhaft geübt, das ver-
8! SPAUN, Das Reichsgericht, 25.