Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 24 (24)

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steht sich bei einem Gerichte vom Range des Reichsgerichtes 
von selbst. Allein die Billigkeit kam zu kurz. Von einem be- 
wussten Eingreifen in den Rechtsbildungsprozess nach Art des 
französischen Staatsrates ist nichts zu bemerken. Die Sprüche 
haften nicht minder ängstlich als die der ordentlichen Gerichte 
an Gresetzestexten ®?, 
Alle Vorbedingungen liegen überaus günstig. Einer beson- 
deren Kompetenzbestimmung, wie OÖ. MAYRrR sie für Deutschland 
beantragt, bedarf es in Oesterreich nicht. Art. 3 lit. a des 
Reichsgerichtsgesetzes reicht aus. Es genügt, wenn das Gesetz dem 
Reichsgerichte die Entscheidung zuweist über Ansprüche „an 
eines der Königreiche und Länder oder an die Gesamtheit der- 
selben, wenn solche Ansprüche zur Austragung im ordentlichen 
Rechtswege nicht geeignet sind“. Es bedarf bloss des autoritativ 
abschliessenden richterlichen Erkenntnisses, dass die Entschä- 
digungsansprüche aus öffentlich-rechtlichen Tatbeständen zur 
Austragung im ordentlichen Rechtswege eben nicht geeignet sind 
und dass die Entscheidung darüber dem Reichsgerichte zusteht, 
worüber nach Art. 4 des Gesetzes einzig und allein das Reichs- 
gericht selbst zu erkennen hätte. Das wäre das erfreuliche Ende 
des öden Gezänkes über die Zulässigkeit des Rechtsweges und 
ein verheissungsvoller Anfang für die Fortbildung des materiellen 
Rechtes 8°, wenigstens soweit der Staat und die Länder in Frage 
  
82 Hye, 10, 715; 12, 1188. 
83 In einigen Konfliktsfällen hat das Reichsgericht leider für die ge- 
richtliche Kompetenz entschieden, statt seine eigene Kompetenz auszu- 
sprechen (Hyz 3, 138, 152; 12, 1081, 1082). 
Nach dem UnschVerurt@. ist der Entschädigungsanspruch vor dem 
Reichsgerichte zu erheben. Bei den Beratungen dieses Gesetzes im Abge- 
ordnetenhause machte der Justizminister Graf Schönborn die Bemerkung, 
„dass es nach der Natur des Anspruches auch ohne eine besondere Be- 
stimmung im Gesetze möglich gewesen wäre, den Beschwerdezug an das 
Reichsgericht zu ergreifen.“ (Spaun 177 ff.) Darob Erstaunen und Wider- 
spruch bei dem juristischen Leuchten des Hauses. Es entbehrt nicht der 
Pikanterie, wie bei dieser kleinen Episode die beiden quasi Weltanschauungen,
	        
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