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steht sich bei einem Gerichte vom Range des Reichsgerichtes
von selbst. Allein die Billigkeit kam zu kurz. Von einem be-
wussten Eingreifen in den Rechtsbildungsprozess nach Art des
französischen Staatsrates ist nichts zu bemerken. Die Sprüche
haften nicht minder ängstlich als die der ordentlichen Gerichte
an Gresetzestexten ®?,
Alle Vorbedingungen liegen überaus günstig. Einer beson-
deren Kompetenzbestimmung, wie OÖ. MAYRrR sie für Deutschland
beantragt, bedarf es in Oesterreich nicht. Art. 3 lit. a des
Reichsgerichtsgesetzes reicht aus. Es genügt, wenn das Gesetz dem
Reichsgerichte die Entscheidung zuweist über Ansprüche „an
eines der Königreiche und Länder oder an die Gesamtheit der-
selben, wenn solche Ansprüche zur Austragung im ordentlichen
Rechtswege nicht geeignet sind“. Es bedarf bloss des autoritativ
abschliessenden richterlichen Erkenntnisses, dass die Entschä-
digungsansprüche aus öffentlich-rechtlichen Tatbeständen zur
Austragung im ordentlichen Rechtswege eben nicht geeignet sind
und dass die Entscheidung darüber dem Reichsgerichte zusteht,
worüber nach Art. 4 des Gesetzes einzig und allein das Reichs-
gericht selbst zu erkennen hätte. Das wäre das erfreuliche Ende
des öden Gezänkes über die Zulässigkeit des Rechtsweges und
ein verheissungsvoller Anfang für die Fortbildung des materiellen
Rechtes 8°, wenigstens soweit der Staat und die Länder in Frage
82 Hye, 10, 715; 12, 1188.
83 In einigen Konfliktsfällen hat das Reichsgericht leider für die ge-
richtliche Kompetenz entschieden, statt seine eigene Kompetenz auszu-
sprechen (Hyz 3, 138, 152; 12, 1081, 1082).
Nach dem UnschVerurt@. ist der Entschädigungsanspruch vor dem
Reichsgerichte zu erheben. Bei den Beratungen dieses Gesetzes im Abge-
ordnetenhause machte der Justizminister Graf Schönborn die Bemerkung,
„dass es nach der Natur des Anspruches auch ohne eine besondere Be-
stimmung im Gesetze möglich gewesen wäre, den Beschwerdezug an das
Reichsgericht zu ergreifen.“ (Spaun 177 ff.) Darob Erstaunen und Wider-
spruch bei dem juristischen Leuchten des Hauses. Es entbehrt nicht der
Pikanterie, wie bei dieser kleinen Episode die beiden quasi Weltanschauungen,