— 588 —
Literatur.
+ Schmidt, Bruno, Ueber die völkerrechtliche clausula re-
bus sic stantibus sowie einige verwandte Völkerrechtsnormen.
Zugleich ein Beitrag zu grundsätzlichen Problemen der Rechtslehre.
Heft 1 von Band VI der Staats- u. völkerrechtlichen Abhandlungen.
herausg. von JELLINEK u. ANSCHÜUTZ IX. u. 226 S. Leipzig 1907.
In dieser posthumen Schrift nimmt der der Wissenschaft zu früh ent-
rissene Verfasser Stellung zu einer der schwierigsten und trotz der Erörte-
rungen zahlloser Autoren wenigst abgeklärten Fragen des Völkerrechts.
SCHMIDT, der sich durch Arbeiten aus der Staatengeschichte sowohl als aus
der allgemeinen Rechtslehre für die Behandlung des schwierigen Themas be-
sonders legitimiert hatte, hat sich nicht auf eine Darstellung und Kritik
der bisherigen Theorien und eine Untersuchung über die Existenz oder
Nichtexistenz der Klausel im positiven Völkerrecht beschränkt, sondern er
ist über das internationale Recht hinausgegangen und hat gezeigt, dass der
berechtigte Kern der Klauseltheorie auf ein allem Recht, auch dem staat-
lichen, eigentümliches Phaenomen sich bezieht, auf den Gegensatz zwischen
formaler (juristischer) Geltung einer Norm und deren tatsächlicher, sagen
wir soziologischer Geltung. Die rechtsphilosophischen Partien sind aller-
dings vom Verfasser nicht mehr endgültig redigiert worden und sind des-
halb etwas fragmentarisch, doch erlauben sie uns immerhin den Gedanken-
gang des Autors zu erkennen, umsomehr, als sich dieser mit den betreffen-
den Problemen schon in seine Schriften über den „Staat“ und das „Gewohn-
heitsrecht“ auseinandergesetzt hatte.
Die spezifisch völkerrechtlichen Abschnitte bieten eine abgerundete,
wohldurchdachte und trotz der Abstraktheit und Verworrenheit des Stofes
klare, übersichtliche Darstellung und Kritik der Lehre von der clausula
rebus sic stantibus.. SCHMIDT stellt als Hauptpunkte der herrschenden
Lehre folgende fest: 1. Die Aufhebung rebus aliter stantibus ist keine bloss
tatsächliche, sondern eine rechtliche, die Klausel ist eine Rechtsregel. 2. Die
Klausel ist eine Eigentümlichkeit des Völkerrechts und zwar des Vertrags-