Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 24 (24)

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hunem belli und von der technischen Untauglichkeit des ausschliesslichen 
Seekriegs zur Erreichung des strategischen Endziels jedes Krieges, der Mög- 
lichkeit der Vernichtung des Gegners. Aus diesen Gründen scheint dem 
Verfasser eine konventionelle Beschränkung der Kampfmittel und des See- 
heuterechts für aussichtslos oder von praktisch untergeordnetem Werte zu 
ein. Im Verhältnis von Kriegspartei zu Kriegspartei wird die Kriegsrai- 
son stets das ausschlaggebende Moment sein. Ganz anders verhält es sich 
ıit den Beziehungen von Kriegführenden und Neutralen. Hier sind die 
Interessen der letztern das in erster Linie zu schützende Rechtsgut und 
unter diesem Gesichtspunkt ist das Recht auszulegen und zu finden. Die 
Kriegsraison im Sınne der Kriegführenden kann gegenüber dem Interesse 
der Neutralen nicht aufkommen, bis die Einbeziehung der Neutralen in den 
Krieg, d. h. die Begründung eines neuen Kriegsverhältnisses, der durch die 
Freiheit der Neutralen geschädigten Kriegspartei die Vorteile des Friedens- 
‚astandes zu überwiegen scheint. Von diesem Gesichtspunkt aus hält der 
Verfasser die Doktrin der fortgesetzten Reise im Blockaderecht, ja das ganze 
Institut der Kontrebande für nicht haltbar. In beiden Fällen handelt es 
sich nach NIEMEYER um eine verschleierte Durchbrechung des Prinzips der 
Effektivität der Blockade und damit um eine unzulässige Abwälzung von 
Lasten der Kriegführung auf die Neutralen Die Wegnahme neutraien Guts 
ausserhalb des eigentlichen Kriegstheaters, bezw. die Androhung solcher 
Wegnahme ıst im Grunde ein Akt der Feindseligkeit gegen die Neutralen, 
dessen wirkliche Natur durch den Begriff der Konterbande und durch die 
Lehre von der fortgesetzten Reise nur verdunkelt wird, aberin Fällen, in denen 
wichtige Interessen starker Staaten auf dem Spiele stehen, sofort hervor- 
treten würde. Das Seerecht sollte also dahin tendieren, die Kriegführenden 
‚u zwingen, zwischen zwei Extremen zu wählen: einer Kriegführung, welche 
sich den Interessen der Neutralen ausserhalb des unmittelbaren Kriegs- 
schauplatzes unterordnet oder aber der Kriegserklärung an Neutrale und 
daherige Erlangung voller Bewegungsfreiheit. Das heutige Recht mit seinen 
Unklarheiten, seiner Zulassung juristisch verbrämter Feindseligkeiten gegen 
Neutrale erklärt sich historisch aus der früheren Auffassung, wonach die 
Neutralen sich von den Kriegführenden alles gefallen lassen mussten. In 
bezug auf die Lehre von der einheitlichen Reise bei Blockade und Kontre- 
bande ist der Ansicht des Verfassers gewiss vorbehaltslos beizupflichten. 
Dagegen scheint uns, dass das Kontrebandeverbot, auch wenn es im Inter- 
esse der Neutralen auf einen bedeutend engeren Raum als bisher begrenzt 
werden sollte, den Kriegführenden dennoch Dienste wird leisten können, auf 
die sie kaum zu verzichten bereit sein werden in Anbetracht der Schwie- 
rigkeiten und Kosten einer ausgedehnten effektiven Blockade. Auch dürfte 
es leichter sein, eine Binigung über den Kontrebandebegriff zu erzielen, als 
über Schutzmassregeln gegen neutralitätswidrige Begünstigung einer Kriegs- 
partei, Massregeln, welche bei Abschaffung des Kontrebandebegriffs wohl 
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