Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 24 (24)

— 600 — 
Geschäftsordnung darüber und unter der Bezeichnung materielles Prüfungs- 
recht die Gültigkeit oder Ungültigkeit der abgegebenen Stimmen, die Ver- 
letzung des Wahlgeheimnisses und die Wahlbeeinflussung. Daran schliesst 
sich eine Uebersicht über das Recht der Staaten, in welchen eine richter- 
liche Wahlprüfung besteht und zum Schluss beschäftigt sich der Verf. mit 
der Wahlprüfung in der 'l'heorie und in der Gesetzgebungspolitik. Das ist 
Alles ganz gut und schön, wenngleich nicht erschöpfend und ohne be- 
merkenswerte Resultate. Dagegen geht der Verf. an einer Reihe von Fragen 
vorbei, welche juristisch von besonderem Interesse und in der Literatur 
kaum behandelt sind. Dahin gehören namentlich die Ermittelungen, mit 
denen der Reichstag den Reichskanzler beauftragt. Da das Reich keine 
Organe hat, um diese Ermittelungen vorzunehmen, muss der Reichskanzler 
den Auftrag weiter geben; hier entsteht gleich die Frage, ob der Reichs- 
kanzler sich an die Regierung des Staates wenden muss oder ob er direkt 
bestimmte Behörden mit den Ermittelungen beauftragen kann. Auch wenn 
man die erste dieser beiden Alternativen für selbstverständlich hält, fragt 
es sich, ob der Reichskanzler unbedingt verpflichtet ist, dem Beschluss des 
Reichstags, und die Landesregierung der Requisition des Reichskanzlers 
Folge zu leisten, auch wenn der Beschluss des Reichstages aus rechtlichen 
oder sachlichen Gründen unzulässig oder unausführbar erscheint. Ferner 
erhebt sich die Frage, ob die Gerichte zur Erhebung solcher Feststellungen 
zuständig sind und wirksam damit beauftragt werden können, da es sich 
um keine zur Gerichtsbarkeit gehörende Angelegenheit handelt. Anderer- 
seits sind die Polizeibehörden zu eidlichen Vernehmungen nicht befugt. 
Besonders wichtig ist die Frage, ob die Untertanen, ob wahlberechtigt oder 
nicht, verpflichtet sind, Auskunft zu geben und sich vernehmen und 
event. vereidigen zu lassen. Auch wie weit die requirierten Behörden ihre 
Ermittelungen auszudelinen und was sie über das Resultat derselben zu be- 
richten haben, ist einer Erörterung wert; denn es ist klar, dass die Beamten 
das Resultat ihrer Ermittlung vollständig beeinflussen können, je nachdem 
sie Parteigenossen oder politische Gegner des Abgeordneten, dessen Wahl 
beanstandet ist, zum Wort kommen lassen. Dies führt zu der weiteren 
Frage, inwieweit der Reichstag berechtigt ist, Art und Umfang der Ermitt- 
lung, namentlich bei Wahlbeeinflussungen, zu spezialisieren und dadurch in 
das Gebiet der Verwaltungstätigkeit einzugreifen. Erörterungen aller dieser 
und anderer Fragen könnten namentlich de lege ferenda von Wichtigkeit 
werden. Vielleicht veranlassen diese Bemerkungen den Verfasser, seine Er- 
örterungen durch einen Aufsatz in dieser Richtung zu ergänzen. 
Laband. 
Joseph Kohler, Lehrbuch der Rechtsphilosophie. Berlin und 
Leipzig, Dr. Walter Rothschild, 1909, VI und 219 S. 
„Was vor 30 Jahren kaum zu ahnen war, ist nun Wirklichkeit gewor-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.