Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 24 (24)

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den: der Sinn für Rechtsphilosophie ist neu erwacht und das rechtsphilo- 
sophische Bewusstsein unserer Juristen ist neu aufgekeimt.“ 
So sagt KOHLER in der Vorrede zu seinem soeben erschienen, mit Span- 
nung — gerade ob des neuerwachten Sinnes für Rechtsphilosophie — er- 
warteten „Lehrbuches der Rechtsphilosophie“. Schade, dass das Buch — 
eine grosse Enttäuschung ist. Das, was KOHLER selbst als Wesen der 
Rechtsphilosophie erklärt: dem Bereiche der Erscheinungen auf den Grund 
zu gehen, das wird beileibe in dem Buche nicht gehalten. Das mag schon 
äusserlich daran erkenntlich sein, dass der grundlegende allgemeine Teil in 
dem immerhin 200 Seiten starken Werke auf 61 Seiten Platz gefunden hat. 
Das Buch ist voll von apodiktischen Behauptungen. Nirgends finden wir 
ein logisch entwickelndes System und eine wissenschaftliche Begrün- 
dung. Wer es fertig bringt, IHFRING, der nach wie vor zu unseren juri- 
stischen Klassikern gehört, oberflächliche Geistreicherei vorzuwerfen, der 
gerät stark in den Verdacht, dass ihn selbst dieser Vorwurf trefie. Das 
Wort vom „Zweck im Rechte“ ist noch lange nicht abgetan ! 
In der Tat hat das KonuLersche Buch mehr „Geist“ als Verstand, viel- 
mehr es will Geist haben und das kann ihm nicht zum Lobe gereichen. 
So heisst es S. 6: die Rechtsphilosophie von WOoLFF, welche die frideri- 
zianische Zeit beherrschte, gehört mit zum Gedankenarmsten, Trostlosesten 
und Philisterhaftesten, was im ganzen Bereiche der Menschengeschichte zu 
entdecken ist. Dabei war WOoLFF doch ein Mann, der den Erfolg auf seiner 
Seite hatte, von dem selbst Kant nicht unabhängig war. — Ob ein Schrift- 
steller „philisterhaft“ ist oder nicht, ist doch vollkommen gleichgültig; die 
Hauptsache ist, dass das, was er schreibt, richtig ist und ehrlich. 
Was bietet KoHLER? 
Die Frage nach der Berechtigung des Eigentums ist mit dem einzigen 
Satze gelöst: „es hängt von dem Stande der Kulturentwicklung ab, ob die 
Kultur eine Gesamtkultur oder eine einzelpersönliche ist; je mehr sie sich 
verbesondert — schönes Wort! — desto mehr wird der Gedanke des Eigen- 
tums durchgreifen und desto mehr wird das Eigentum seine Wurzeln senken 
in das Recht und die Herzen aller!“ Difficille est —! S. 81: Durch das 
Entstehen des Einzeleigentuns wurden die menschlichen Kräfte in uner- 
hörter Weise gesteigert.“ — 
Das Wesen der Strafe ist einfach definiert als: Sühne, Genugtuung, 
Vergeltung! nichts findet sich über die moderne Behandlung der sog. Straf- 
rechtstheorien, dass jede staatliche Betätigung der Strafgewalt einen ge- 
wissen Zweck haben muss. — 
Wo finden wir in dem Buche die Erklärung dessen, was das Recht 
eigentlich ist, Verhältnis zwischen Recht und Staat, Verhältnis zwischen 
Recht und Moral, die Genesis der inneren Gliederung des Rechtes, eine Dar- 
legung der das Recht beherrschenden Grundbegriffe? Dagegen ist eine 
Fülle von Einzelheiten behandelt. auch sie keineswegs philosophisch, Die
	        
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