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habe „den refere abzuschaffen“. Etwas derartiges habe ich aber
niemals behauptet, weder dem Wortlaute, noch dem Sinne nach.
Zwweifellos ist es richtig, dab nicht die „Naturrechtsbewegung“
„den refere abgeschafft“ hat. In der ganzen Bewegung, die
schließlich zur Beseitigung des refere legislatiff — und zwar in
Frankreich des fakultativen refere legislatif, in Deutschland des
refere legislatif schlechthin ®* — und zur Einführung der „richter-
lichen Gebundenheit an das Gesetz“ geführt hat, hat nicht das
Naturrecht die aktive Rolle gespielt, sondern die treibende Kraft
haben gewisse justizpolitische Bestrebungen geliefert,
das Naturrecht gab lediglich die theoretische Formel her, es
bildete die theoretische Grundlage, auf welcher jene praktischen
Bestrebungen verwirklicht worden sind®%. In Frankreich nun
waren dieselben speziell gegen die Auswüchse des fakulta-
tiven refere gerichtet °, und um diesen zu begegnen, faßte man
den Entschluß, ihn aufzuheben, die theoretische Möglichkeit
dieses Schrittes aber erblickte man in der Tatsache, daß ja dem
Richter erforderlichenfalls das Naturrecht zur Verfügung stehe.
Der naturrechtliche Charakter des Art. 4 ist also nicht auf die
Stoßkraft des Naturrechts, sondern auf praktische Bedürfnisse
zurückzuführen, die beim obligatorischen refere eben nicht
vorhanden waren.
Auch der naturrechtliche Oharakter des $ 7 österr. ABGB.
muß gegen einen Einwand HATSCHEKSs verteidigt werden. Meine
Behauptung geht dahin, daß $ 7° bestimmt war, den refere le-
gislatif durch die subsidiäre Funktion des Naturrechts zu er-
setzen. Demgegenüber verweist HATSCHEK, Replik 448 auf
6 Vgl. oben Anm. 4 u. 5 und den dazu gehörigen Haupttext.
65 Auch in meiner Schrift habe ich beides genau auseinander gehalten,
sowohl in Bezug auf die Entwicklung in Deutschland (S. 422 f.), als auch
in Frankreich (S. 424 f.).
68 Vgl. dazu Anm. 8.
9° Beziehungsweise 8 19 des Westgalizischen Gesetzbuches von 1797.
Vgl. meine Schrift S. 423.