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einer flüchtigen Andeutung begnügen’.
Scharf davon zu scheiden aber ist die Frage, wie man bei
dieser Emanzipierung der preußischen Gerichte von der Gesetz-
kommission, zu Werke ging: Ob man dabei von der Idee aus-
ging, dem Richter stehe ja erforderlichenfalls das Naturrecht zur
Verfügung, oder nicht. Der Beantwortung dieser Frage wird
durch die HATScHEKschen Feststellungen in keiner Weise prä-
jJudiziertt. Ob nun tatsächlich auch der preußische (sesetzgeber
bei Aufhebung des refere legislatif die subsidiäre Funktion des
Naturrechts im Auge gehabt hat, das vermochte ich in meiner
Schrift nicht mit Sicherheit zu sagen, bin es auch heute nicht
in der Lage; ich möchte vermuten, daß auch in Preußen die
Idee der subsidiären Funktion des Naturrechts eine gewisse Rolle
gespielt haben dürfte.
Eines aber muß beachtet werden: Der refere legıslatif,
wie er durch die Kabinettsordre v. 21. III. 1798 aufgehoben
worden ist, bezog sich lediglich auf Zweifel über den Inhalt
eines Gesetzes; Lücken im Gesetze hatte der Richter bereits
auf Grund des ALR. Einl. $ 49°! selbständig auszufüllen,
———
”° Die Ausführungen HATSCHEKs beweisen, daß in Preußen auch die
Lehre von der Gewaltentrennung bei der Aufhebung des refere legislatif
eine gewisse Rolle gespielt hat. Ich möchte dem noch hinzufügen, daß
auch in Frankreich ähnliches der Fall war. S. z. B. FAURE in der Sitzung
des Corps legislatif v. 5. III. 03 (14 ventöse an XI), Arch. Parl. IV 80.
Nachdem aber anderseits auch die Existenz des refere legislatif mit dieser
Lehre gerechtfertigt wurde (vgl. meine Schrift S. 416 f.), so haben wir das
ergötzliche Schauspiel, daß sowohl Anhänger als auch Gegner des refere
legislatif sich auf das Dogma von der Gewaltentrennung berufen, wie
namentlich die Beratungen über den Art. 4 Code Napoleon zeigen. 8. z. B.
33 MALEVILLE, Analyse raisonnee de la discussion du Code civil au Con-
seil d’Etat, I? 13 f. Die in meiner Schrift $. 418 aufgestellte Behauptung,
daß die Neuerung des Art. 4 „mit der Theorie der Gewaltentrennung nicht
in Verbindung steht“, bedarf also der Berichtigung. Das wesentliche Er-
gebnis meiner Schrift aber wird dadurch nicht berührt.
”ı Wortlaut oben Anm. 20.