Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 26 (26)

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Das Richtige dürfte vielmehr in der Erweiterung des an- 
tiken Zensusbegriffs nach modernen Gesichtspunkten zu finden 
sein, d. h. in der Angliederung der Bildung und des positiv- 
ethischen Momentes an die Vermögensbedingungen. Im folgenden 
werden wir sonach den Wahlzensus als den Inbegriff aller posi- 
tiv-sozialen und -ethischen Schranken für die Beteiligung bezw. 
das Maß der Beteiligung des Volkes an der Abordnung seiner 
gesetzlichen Vertreter (aktiver) und für die Teilnahme der 
letzteren an der legislativen Mitregierung (passiver \Vahlzensus) 
behandeln. 
Viel klarer und einheitlicher als der Begriff, zeigt sich uns 
in der staatsrechtlichen Literatur der Zweck des Wahlzensus: 
Ihm fällt die Aufgabe zu, die politisch fähigen Elemente des 
Volkes von den politisch unfähigen zu scheiden und ersteren 
allein die Staatsbürgerrechte zu sichern. Ein kurzer Blick in 
die Entwicklungsgeschichte des Wahlzensus wird uns diese seine 
Funktion am besten beweisen. 
Das sterbende Mittelalter zeigt uns den Kampf zwischen 
Absolutismus und Volk. Einte das letztere der Kampf, so teilte 
es der Sieg, indem der führende Teil desselben die Geburt 
als Maßstab der politischen Fähigkeit aufstellte und an die Stelle 
des absoluten, den Ständestaat setzte. 
Der früher durch seine Kriegsmacht bestimmende Adel 
schläft dann auf seinen Lorbeeren ein, ohne den infolge von 
Handel und Verkehr erstarkenden Rivalen der Geburt, den 
Besitz, zu bemerken. Wiederum, um die Wende des 18. Jahr- 
hunderts, ein Kampf, wiederum ein Sieg und an Stelle des Stände- 
staates tritt der Volksstaat: der Adel wird in die erste Kammer 
gedrängt und in der zweiten Kammer — spielt der Besitz dem 
„politisch unfähigen nichtsbesitzenden Volke“ gegenüber die be- 
vormundende Rolle des Adels ruhig weiter. 
Aber auch dem Besitze läßt die industrielle Entwicklung 
einen starken und einigen Nichtbesitz gegenübertreten. Es
	        
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