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geber und Arbeitnehmer zur Folge. Dabei verzehrte noch die
erzeugende Kraft selbst während der Produktion zuviel, um einen
großen Ueberschuß auf den Markt werfen zu können und die Markt-
preise standen infolgedessen zu hoch, als daß der Arbeiter die
Naturalleistungen seines Herrn einer Geldentlohnung hätte vor-
ziehen können: Wohnung und Kost bildeten so den Hauptbe-
standteil des Lohnes. Der Arbeiter war mit anderen Worten
geradezu Mitglied der Familie des Brodherrn.
Daß ein solches Arbeitertum keinen bedeutenden Faktor im
politischen Leben zu spielen vermag, liegt auf glatter Hand und
in der Tat sind es auch nur die den Besitz und die Unabhängig-
keit repräsentierenden Bestandteile des Volkes, das Staatsbürger-
tum, welche die erste Hauptperiode des Staatsbürgerzensus uns
zeigt.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war die mittelalterliche
Saat reif zur Ernte und es bedurfte nur eines äußeren An-
stoßes um an Stelle von Absolutismus und Privilegien die Volks-
rechte zu setzen, und den gab die große französische Revolution,
die mit dem Naturrechte ihren Siegeszug über ganz Europa
antrat.
S1. Gestaltung des Wahlzensus unter dem
Einflusse der Naturrechtsidee.
Es ist leicht erklärlich, daß das Naturrecht mit seiner Gleich-
heitsidee und Volkssouveränität das Wahlrecht prinzipiell als ein
individuelles, als ein natürliches Gesellschaftsrecht betrachtet
wissen wollte: „Het bezit van schatten is accesoir en niet ver-
bonden aan den staat van den mensch; de mensch blijft mensch
al heeft hij geene bezittingen, maar de mensch heeft regten, en
die zijn onafscheidelijk verbonden aan zijn bestaan, die bragt
hi] mede ter wereld ..... . Tot die regten behooren in een vrijen
* Vgl. v. Stein, Die industrielle Gesellschaft. Lpz. 1855, S. 60.