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unter dem dehnbaren Begriffe „Mittelstand“ verstehen, inklusive
der besitzlosen Intelligenz '®.
Auch in der Wissenschaft tritt um diese Zeit der Kampf
zwischen (Grundrente und Kapitalzins als Träger der poli-
tischen Macht auf, wofür hier zum Beweise nur die Kontro-
verse zwischen dem vorerwähnten BENJAMIN ÜONSTANT und
ST. SIMON angeführt sein möge. Ersterer preist noch den Grund-
besitz allein als starken Träger politischer Berechtigung an.
„La propriete industrielle manque de plusieurs des avantages
de la propriete fonciere et ses avantages sont precisement ceux
dont ce compose l’esprit preservateur . . .“1?, letzterer stellt da-
gegen ebenso falsch als extrem die industrielle Gesellschaft allein
als den Inbegriff aller politischen Fähigkeit und Würdigkeit dar:
„Les producteurs de choses utiles & la societe, etant les seules
hommes utiles a la societe, ont seuls le droit de la gouver-
ner .. .“2%, ein Vogelstraußspiel, dem sich die deutschen Po-
litiker ehrlich fern hielten. Hier hatte sich vielmehr mit der
Idee des Genossenschaftsrechtes die Ansicht gebildet, dab es
der Souveränität nicht frei stehe, nach ihrem Gutdünken den
Wahlzensus festzusetzen, daß es vielmehr ein Postulat der Staats-
raison sei, alle Volkselemente, die eine sozial-politische Reife
erlangt und an ihrer Vertretung im Parlamente ein berechtigtes
Interesse hätten, an den Aufgaben von Staat und Gesellschaft
mitarbeiten zu lassen °!.
So beginnt mit dem schließlichen Siege der industriellen Ge-
sellschaft als dritte und letzte Unterperiode des Staatsbürger-
18 Vgl. GnEIsT, Die nationale Rechtsidee von den Ständen, und das
preußische Dreiklassenwahlsystem S. 107f.; LorIA, Die wirtschaftlichen
Grundlagen der herrschenden Gesellschaftsordnung, Lpz. 1895 p. 116.
19 B. CONSTANT, Principes de Politique, Laboulaye, 1. c. I, 57 ff.
2° St. Simon, Du systeme industriel Par. 1821 p. 115 ff.
21 Vgl. BESELER, Volksrecht und Juristenrecht Lpz. 1843; BÄhHr, Der
Rechtsstaat, Kassel 1864; GIERKE, Genossenschaftsrecht, Berl. 1868 a. a. O.
I, 823.