— 210 —
War in der vorigen Periode der Wahlzensus auf Pacht,
Miete etc. basiert, die wiederum die Steuern als solche reprä-
sentierten, so spaltet sich in dieser Periode die praktische Zen-
susgesetzgebung in zwei große Gruppen, die aber beide eine
Fortbildung des Zensus der vorigen Periode darstellen.
Die eine Staatengruppe geht nämlich auf die Forderung der
reinen Persönlichkeit als Zensusgrundlage ein, indem sie den
Schwerpunkt des Wahlzensus, bei der Weiterentwicklung seine
frühere Grundlage betonend, vom sozialen auf das ethische Mo-
ment verlegt und dieses durch die Bedingungen des Familien-
hauptes, guten Rufes, festen Wohnsitzes u. s. w. praktisch zum
Ausdruck bringt, — das Okkupationssystem (occupier system) ?°.
Die andere ignoriert die frühere Grundlage des Wahlzensus
ganz, behält ihn vornehmlich als soziale Schranke bei und baut
auf dem Steuersystem weiter, indem sie lediglich die in der
Periode der industriellen Gesellschaft aufgestellten Steuerbe-
dingungen dem Verhältnisse des städtischen Arbeitertums an-
paßt, — das Proprietätssystem °*.
Beiden Gruppen eigentümlich sind aber noch immer die
sozialen Bestimmungen, wie Schulbildung, Gewerbesteuer etc.,
die die Grenzlinien zwischen städtischem und ländlichem Arbeiter-
tume ziehen”.
82. Gestaltung des Wahlzensus zu Gunsten
des ländlichen Arbeitertums.
Aber schon mit dem ersten Schritte in die Periode des
Massenzensus waren sich Männer mit dem Scharfblicke eines
Lowe in England und PALmA in Italien wohl bewußt, daß man
Rechte, die dem städtischen Arbeitervolke zuteil wurden, dem
ländlichen infolge der Gemeinschaftlichkeit der Lage nicht auf
25 Vgl. GEORG MEYER, S. 382.
26 Vgl. PALMA, Corso di diritto costitutionale, Florenz 1884—86 II, 112.
?7 Vgl. S. 226, 271, 273.