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ohne Präge in den Umlauf getreten war, so unscheinbar und
abgegriffen, daß man später seine Legende in ein Erwartungs-
recht der Völker umzudeuten wagen durfte“’®® Gleichwohl
gingen die deutschen Einzelstaaten in der folgenden Zeit, teils
noch unter dem frischen Eindruck des Befreiungskrieges, teils
auch erst vom Sturme der französischen Julirevolution mitge-
rissen zum Konstitutionalismus über. Und mag sich dieser auch
im hohen Maße unter französischem und indirekt englischem
Einflusse entwickelt haben, so wirken doch speziell bei der Zu-
sammensetzung der Landtage die früheren deutschen Verfas-
sungszustände stärker nach, denn sie weisen meist eine ständische
Gliederung auf.
So sporadisch und unabhängig von einander nun auch die
Verfassungen in den Einzelstaaten auftauchten, in der Frage des
Wahlzensus zeigen sie sich nur als Spielarten der Idee von der
Proprietätsmoral:
Die Wablfähigkeit und Wählbarkeit im Stande der Ritter-
gutsbesitzer war meist durch den Besitz eines „landtäflichen“
Rittergutes bedingt, ohne feste Normierung des Wertes, da man
sich die Aufnahmefähigkeit der einzelnen in die Matrikel für den
konkreten Fall vorbehielt. Gleichwohl finden sich auch einzelne
Staaten, wie Sachsen, Hessen u. a., die eine allgemeine Fest-
setzung für nötig erachteten und uns so einen interessanten Ein-
blick in den Begriff der Landtagsfähigkeit eines Rittergutes ge-
währen.
Schon stärker als im Stande der Rittergutsbesitzer tritt im
Wahlrecht von Stadt und Land der Zensusunterschied zwischen
Wahlfähigkeit und Wählbarkeit hervor. In den Städten lautet
der aktive Wahlzensus meist auf städtischen Grundbesitz, Bür-
gerrecht oder Steuerzahlung, in den Landschaften auf bloßen
Grundbesitz, so daß nur Beisaßen oder Schutzverwandte und
182 GORRES, Teutschland und die Revolution 1819 S. 21.