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nun so ziemlich die Wage. Aber nur für kurze Zeit, denn der
industrielle Aufschwung Belgiens setzte besonders in den Städten
große Geldmassen an, mit denen natürlich ihre liberale Wähler-
zahl stieg!”!, während die Abgeordnetenzahl der Priesterpartei
in der Folge rapid zu sinken begann: Im Jahre 1835 z. B.
schickten Brüssel, Antwerpen, (ent, Lüttich und Tournay 17
klerikale und nur 8 liberale Abgeordnete ins Parlament, im
Jahre 1845 dagegen 21 liberale und nur 4 katholische!??. Die
Klerikalen kannten auch den wunden Punkt und wußten recht
wohl, daß eine Stärkung ihrer ländlichen Partei nur durch einen
Zensussturz ermöglicht werden könne. Der Erfolg ihrer Be-
strebungen war schließlich das Wahlgesetz vom 12. und 31. März
1848, das sicherlich einen spezifisch industriellen Wahlzensus
angenommen hätte, wenn ein solcher nicht mit einer Verfassungs-
änderung wäre verbunden gewesen. So aber mußte man sich
nur mit dem verfassungsgemäßen Mindeststeuersatz von 20 fl.
(33,60 M.) gleichmäßig für Stadt und Land begnügen 17°.
War auch der Wählerzuwachs nach der Statistik kein starker,
Jahr | Bevölker.-Zahl M Zahl d. Wahlb. | 0), der Ber.
1847 4 335 319 45330 1,06
1848 4 358 030 9189 1,82
so führte er doch wieder einen Ausgleich der beiden Parteien
herbei, da die neue Wählerschaft sich vornehmlich aus mittel-
ständischen Ackerbautreibenden und dem städtischen Kleinbürger-
tum, meist Anhängern der klerikalen Partei, rekrutierte 1”,
Bald jedoch begann neuerdings die eine Schale zu sinken,
und zwar, wie leicht vorauszusehen war, wieder zu Ungunsten der
Klerikalen. Die Klerikalen setzten nun ihre Hoffnung auf die
—.
17! HELFFERICH, Belgien, Pforzh. 1848 8. 107.
172 HELFFERICH, S. 257.
178 G, v. 12 März 1848 Art. ].
17% Vgl. Horn, Statistisches Gemälde des Königreichs Belgien, Dessau
1853 8. 42.
Archiv für öffentliches Recht. XXVI, 2. 17