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Aehnlich gestalteten sich die Zensusbestimmungen auch in
den übrigen italienischen Verfassungsstaaten 238.
So blieb nun der Wahlzensus in Savoyen-Piemont-Sardinien
unverändert bis zur Einigung Italiens bestehen und auch da
wurde er mit der kleinen Modifikation, daß auch für die mittle-
ren Kapazitäten der halbe Zensus fiel, in das Wahlgesetz vom
18. Dezember 160 für das geeinte Italien aufgenommen ?®®,
II. Periode des Massenzensus.
1) Gestaltung des Wahlzensus zu Gunsten des
städtischen Arbeitervolkes 188.
Außer der industriellen Entwicklung war es in Italien aber
noch ein anderer Umstand, der einen solchen Zensus unliebsam
fühlbar machte: CAvoUR und seine Nachfolger hatten nämlich
Staats- und Kirchengüter verschleudert, so daß bald eine ge-
winnsüchtige Spekulation mit solchen Objekten in Mode kam.
Ja die Sache wurde besonders im Süden so intensiv betrieben,
daß fast sämtliche Wahlberechtigte derartige Spekulanten waren.
So entstand denn seit dem Anfang der sechziger Jahre eine
schmähliche Wahlmacherei, deren Bestrebung nur dahin ging,
das Ministerium immer wieder zu neuen Verschleuderungen zu
zwingen ®%°,
Zwar fehlte es schon damals nicht an Männern, wie STE-
FANO GAcınI, die die Quelle des Uebels in dem Zensus richtig
erkannten und rieten, tiefer in den Schatz des schlichten Volkes
zu greifen ?*!, ein Gedanke, der aber erst 1876 mit dem Wahl-
gesetzentwurf NICOTERA feste Form annahm. Dieser, sowie die
beiden anderen Entwürfe DEPRETIS vom Jahre 1879 und 1880
sind von der Ueberzeugung diktiert, daß am Vermögenszensus
nicht dürfe gerüttelt werden, daß vielmehr eine Erweiterung des
238 Vgl. Riforma Il, 267—307. 238 W. G. v. 18. Dez. 1860 Art. 3.
240 REUCHLIN, Geschichte Italiens im 19, Jahrh. IV, 556.
241 REUCHLIN IV, 558.
Archiv für öffentliches Recht. XXVIJ, 2. 18