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vertretung und allgemeinem Wahlrecht auf die Dauer unhaltbar
sei, war man sich schon damals klar und tatsächlich räumte auch
das Wahlgesetz vom 26. Januar 1907 mit der Interessenvertre-
tung völlig auf und führte das allgemeine, direkte Wahlrecht
ein, das nur durch die Forderung einer einjährigen Seßhaftig-
keit beschränkt ist ?°%,
Von einer Geschichte des Wahlzensus in Ungarn und den
osteuropäischen Kleinstaaten kann wohl nicht im eigentlichen
Sinne gesprochen werden. Sie gehen fast sämtlich erst sehr spät
zum konstitutionellen Prinzip über und führen dann meist sofort
den Massenzensus ein ?®.
82. Schwedenund Norwegen.
1. Periode des Staatsbürgerzensus.
1. Gestaltung des Wahlzensus unter dem Ein-
flusse der Naturrechtsidee 1814—1884.
Gerade im ackerbautreibenden Skandinavien muß sich be-
sonders klar die Einwirkung der Naturalprästation auf die Ge-
staltung des Wahlzensus nachweisen lassen, denn hier schloß
sich noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts eine gutsherrliche
Besitzung an die andere an. Diesen gehörte sodann eine ge-
wisse ihrer Größe entsprechende Anzahl verheirateter Arbeiter
(Hunsmands) zu, die, selbst ohne Laandeigentum, gegen Nutz-
nießung eines Häuschens oder eines Stückchen Feldes dem Guts-
herrn hörige Dienste leisteten 2°,
Und wirklich ist der Wahlzensus der norwegischen Verfas-
sung vom 4. November 1814 zum Storthing diesem sozialen Zu-
258 Vgl. J. d. ö. R. 1908 S. 289 u. RAUCHBERG, Die statist. Unterlagen
der österr. Wahlreform 1907.
250 Vgl. RAnDo-ROTHFELD, Die Ungar, Verf, Berl. 1898 S. 103 f.; DARESTE,
Les constitutions modernes, Par. 1883 I, 436; II, 274, 296, 314, 817, 332 —
260 Vgl. v. HAxTHAUSEN, Das konstitutionelle Prinzip Il. 351.