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Zwecken der Volkvertretung gerecht zu werden, ist damit ge-
funden?.
Eine solche Ungleichheit des Weahlrechtes findet auch in
der natürlichen Verschiedenheit der Menschen ihre tiefere Be-
gründung. Nichts ist ja äußerlicher als sagen, daß alle Men-
schen gleich wären. Insbesondere sind die Menschen auch hin-
sichtlich ihres Wertes für das allgemeine Wohl, für den Staat
völlig untereinander verschieden.
Auf dem Grundgedanken der Ungleichheit des Wahlrechtes
nun sind mehrere Wege versucht worden, die sich darin unter-
scheiden, wie die Ungleichheit des Stimmengewichtes hervorge-
bracht wird. Wenn alle Staatsbürger (die zu einem Weahlbe-
zirke gehören) einen, einige von ihnen — die Bevorzugten —
noch einen Abgeordneten dazu wählen, so ist dies das roheste
Verfahren. Wählt dagegen (in einem Weahlbezirke) die eine
Unterabteilung einen und die andere Unterabteilung auch einen
Abgeordneten, so ist dann eine Ungleichheit des Stimmenge-
wichtes erreicht, wenn die eine Unterabteilung weniger Mit-
glieder zählt, als die andere; dies ist das Klassenwahlsystem.
Am klarsten kommt der Grundgedanke zum Ausdruck im Plural-
wahlrecht, bei welchem alle Wähler (eines Wahlbezirkes) einen
Abgeordneten wählen, hierbei aber die Stimme aus der einen
Kategorie der Wähler mehr als die aus der anderen Kategorie
gerechnet wird.
Wenn man diese drei Systeme „ungleicher“ Wahl gegenein-
?2 Vorausgesetzt ist hierbei, daß der Staat überhaupt in der Lage ist,
das Wahlrecht zu beschränken oder zu erweitern, d. h. die Anschauung,
daß das parlamentarische Wahlrecht nicht eine natürliche, dem Menschen
angeborene, unentziehbare Befugnis sei. Das Wahlrecht ist ein vom Staate
frei nach Zweckmäßigkeit verliehenes Recht; es beruht ausschließlich auf
der staatlichen Ordnung. Diese Meinung ist jetzt durchaus herrschend und
soll hier nicht erörtert werden. Vgl. z. B. die bei GEORG MEYER Das
parlamentarische Wahlrecht, herausg. von GEOR@ JELLINER, Berlin 1901 II,
411ff. angezogenen Schriftsteller.