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diese drei Eigenschaften: Fähigkeit der Selbstbescheidung, ver-
standesmäßige Bildung und Unabhängigkeit besitzen.
Es bedarf nun eines Beweises nicht, daß derartige Merk-
male für eine gesetzmäßig festzulegende Unterscheidung an sich
völlig unbrauchbar sind. Es ist praktisch nicht möglich, zu sagen
z. B. die Unabhängigen haben zwei, die Abhängigen eine Stimme.
Hat diese Unterscheidung, schon wenn man den Begriff rein
äußerlich nimmt, ihre noch nicht überwundenen Schwierigkeiten,
so ist der Beweis der Unabhängigkeit, wie sie hier verlangt wird,
vor dem Gesetze überhaupt nicht zu führen. So ist es mit den
anderen beiden Eigenschaften auch; sie sind an sich gesetzlich
nicht zu brauchen; und andererseits sind sie es doch, die einzig
und allein ausschlaggebend sein können, da das Mehrgewicht
einer Anzahl von Stimmen ja allein dadurch gerechtfertigt ist,
daß die Staatsgewalt das Bedürfnis der Stärkung hat und dieses
nur durch Männer mit solchen Eigenschaften befriedigt werden
kann *.
Sind die Eigenschaften selbst nun in einem Weahlgesetz
nicht zu verwenden, so muß dies dazu führen, äußere leicht be-
stimmbare Merkmale, die mit möglichster Sicherheit den Schluß
auf das Vorhandensein der im Grunde zu fassenden Fähigkeiten
zulassen, im Gesetz als Pluralstimmgründe zu benennen, so dab
dann für den oberflächlichen Beobachter Eigenschaften den Aus-
schlag geben, die im Grunde durchaus nicht bestimmend sind.
Hier liegt nun die besondere Schwierigkeit des Pluralwahl-
rechts, nämlich solche Eigenschaften zu finden, die mit möglichst
leichter Bestimmbarkeit den tunlichst wahrscheinlichen Schluß
auf die eigentlich ausschlaggebenden Eigenschaften vereinigen.
* Es soll besonders noch darauf hingewiesen werden, daß das Stimmen-
mehrgewicht nicht etwa das Resultat einer größeren Tätigkeit (im weitesten
Sinne) für den Staat, ein Entgelt für größere Leistungen ist. Allein der
Zweck der Stärkung der Staatsgewalt, also allein das Interesse des Staates
rechtfertigt die Zubilligung von Mehrstimmen.