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fassungsplan mit hegemonischen Rechten Preußens auf dem Ge-
biete des Auswärtigen, des Heeres, der Marine, der Post und
Telegraphie. Im Widerspruche stand freilich damit die der bun-
desstaatlichen Auffassung entnommene Bildung eines vom preus-
sischen Landtage verschiedenen Reichstages, dem aber nur der
aus dem alten Bunde übernommene Bundesrat, kein verantwort-
liches Bundesministerium gegenübersteben sollte. Gerade diese
Mischung, die keine Auffassung folgerichtig durchführte, ließ alle
Parteien unbefriedigt.
Was ist nun schließlich herausgekommen ? Staatenbund,
Bundesstaat oder Einheitsstaat? Die Reichsverfassung unmittelbar
gibt darauf natürlich keine Antwort es bleiben nur wissenschaft-
liche Schlußfolgerungen übrig. Alles dreies ist behauptet wor-
den, und daß es behauptet werden konnte, kommt daher, daß
jede dieser drei Auffassungen in einer bestimmten Phase der
Rechtsentwicklung wurzelt.
Die Ansicht SEYDELs, daß das Reich ein Staatenbund seı, hat
etwas Bestechendes. Er hat sich daher noch in neuerer Zeit der Zu-
stimmung von OTTO MAYER zu erfreuen gehabt. Hierauf führt die
Analogie des alten deutschen Bundes, dessen Einrichtungen trotz der
unterbrochenen Rechtskontinuität organisch in der heutigen Reichs-
verfassung vielfach fortwirken. Der Eingang der Reichsverfas-
sung berichtet von einem ewigen Bunde der deutschen Fürsten.
Und daß die Reichsverfassung mannigfaltig vertragsmäßige und
völkerrechtliche Bestandteile enthält, ist wiederholt Gegenstand
besonderer Untersuchungen gewesen. Eingeführt ist die Bundes-
und Reichsverfassung in jedem deutschen Staate durch Landes-
gesetz. Also warum nicht Staatenbund? Daß diese Lehre, die
SEYDEL übrigens von dem Amerikaner CALHOUN entlehnt hat,
wie in den Vereinigten Staaten zur Sezession führen könnte,
liegt außerhalb der politischen Wahrscheinlichkeit. SEYDEL selbst
* OÖ. MAYER, Republikanischer und monarchischer Bundesstaat im Archiv
für Öffentliches Recht Bd. 18 (1903), S. 837 ff.