— 383 —
kollegiales Bundes- und Reichsministerium mit der Begründung
gewehrt, daß dadurch der Bundesrat ausgeschaltet, und die
Einzelstaaten mediatisiert würden. Bisher ist die oberste Reichs-
verwaltung wenigstens bureaukratisch geblieben, einheitlich zu-
sammenlaufend in der Person des Reichskanzlers. Nur die
Stellung des Statthalters von Elsaß-Lothringen durchbricht die
Regel. Im übrigen war die bureaukratische Einheit der obersten
Reichsverwaltung eine innere Notwendigkeit. Denn der unent-
behrliche organische Zusammenhang zwischen der obersten Reichs-
verwaltung und Bundesrat und Reichstag konnte nur dadurch
hergestellt werden, daß der Kaiser den Reichskanzler und die
Chefs der obersten Reichsämter zu preußischen Bevollmächtigten
des Bundesrates ernannte. Die preußischen Stimmen können
aber nur einheitlich abgegeben werden. Daraus ergab sich die
Notwendigkeit bureaukratischer Zusammenfassung. Aber es
folgte daraus auch der unentbehrliche Zusammenhang der obersten
Reichsverwaltung mit der preußischen. Der Reichskanzler kann
seine Instruktionen als stimmführendes preußisches Mitglied nicht
unter fremder Verantwortlichkeit, sondern nur unter der eigenen
als preußischen Ministers des Auswärtigen empfangen. Bei
diesem notwendigen Zusammenhange war bisher das parlamen-
tarische System ausgeschlossen. Denn Reichstag und preußisches
Abgeordnetenhaus können verschiedene parlamentarische Mehr-
heiten haben. Der parlamentarische Ministerwechsel im Reiche
würde den Bundesrat ausschalten und das preußische Abgeord-
netenhaus zu Gunsten des Reichstages mediatisieren.
Gleichwohl sind starke politische Neigungen zu einer solchen
Rechtsbildung vorhanden. Die steigenden finanziellen Anforde-
rungen haben naturgemäß wie stets in der konstitutionellen Ge-
schichte die Bedeutung der geldbewilligenden Körperschaft hier
des Reichstages, auf dessen Beschluß es hauptsächlich ankommt,
gehoben. Im Gegensatz zur Bismarckschen Zeit steht jetzt be-
reits fest, daß ein Reichskanzler nicht im Amte bleiben kann,