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vielleicht erst nach einem Jahrhundert aufgeht oder doch erst
Blüten treibt.“
Man liest und staunt! Wer hätte nach diesen fast prophe-
tisch gehaltenen Worten, in denen sich eine so tiefe Erbitterung
über das Verhältnis von Kirche und Staat in der Staatskirche
ausdrückt, erwartet, daß gerade MEURER aus Anlaß der
b. KGO. sich so lebhaft für eine engere Gestaltung der Ver-
bindung aussprechen könnte, wie er es in der Abhandlung „Grund-
fragen“ nunmehr tut. Und hier handelt es sich doch nicht allein
und überwiegend um das Verhältnis der protestantischen Kirche,
sondern in erster Linie und so vordringlich wie in keinem an-
deren deutschen Staat um dasjenige der katholischen Kirche, in
welcher MEURER den „verbündeten Gegner* des Staates er-
kennt. Wir stehen vor einem Rätsel! Es ist doch wohl nicht
anzunehmen, daß MEURER in der KGO. eine Regelung begrüßt,
die nur „für Heute“ gelten soll? Ein Gesetz wie dieses ist ja
für lange Zeitgeltung bestimmt, es legt einen von MEURER ver-
abscheuten Rechtszustand nicht nur fest, es vertieft ihn auch
noch in der verabscheuten Richtung.
Die zitierten Worte MEURERs sind der lebhafteste Aus-
druck, der mir für das Problem der Trennung von Staat und Kirche
bisher begegnet ist. Da MEURER in seinen „Grundlagen“ sein
Buch an sehr vielen Stellen selbst zitierte, so ist auch nicht an-
zunehmen, daß er inzwischen seinen Standpunkt grundsätzlich
geändert habe. Und dabeı sieht MEURER nicht, was die
bayerische Verf.-Urk. selbst für diese Trennung schon getan
hat. Anstatt darauf zu gründen und weiter zu bauen und an-
statt das durch eine langjährige ganz haltlose Uebung befolgte
und eingewachsene System der Verquickung in der Vermögens-
kuratel anzugreifen und den Staat auf die Regelung der bürger-
lich-rechtlichen Rechtsordnung und der Handhabung der obersten
Aufsicht und des Schutzes im eigentlichen Sinn, wie es die Ver-
fassung tut, hinzuweisen, anstatt, um MEURERSs eigene Worte zu ge-