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bei Krieg oder Kriegsgefahr dem Rufe des Kaisers nicht folgt,
ist des Reiches nicht wert. Treue um Treue! Der Staat schuldet
sie seinem Bürger, der Bürger seinem Staat. Sie verlangt vom
Staate nicht nur das Eintreten für verletzte und gefährdete
Rechte, sie gebietet auch den Schutz und möglichste Förderung
jedes schutzwerten Interesses. Zwar ist dem einzelnen Deutschen
kein Rechtsmittel zur Realisierung seiner Forderung an das Reich,
ihm den durch die Verfassung verheißenen Schutz zu gewähren,
in die Hand gegeben®. Das „Recht auf Schutz“ ist nur der
Reflex der Schutzpflicht der den Staat nach außen repräsentie-
renden Organe. Ein formell rechtlicher Anspruch auf den Schutz
steht dem deutschen Staatsangehörigen nicht zu, solange ihm
nicht die ausschließliche Befugnis erteilt und rechtlich garantiert
wird, die staatlichen Organe trotz ihres Widerstrebens zur Ge-
währung des Schutzes anzuhalten. Damit ist nicht gesagt, daß
durch die Schutzgewährung dem Einzelnen eine Gnade, eine Ge-
fälligkeit erwiesen wird. Tatsächlich wird die Art der Erfüllung
dieser staatlichen Rechtspflicht überwiegend durch politische Ver-
hältnisse und Rücksichten bestimmt®. Rechtlich findet die Schutz-
pflicht ihre Begrenzung nur am Recht des Staates, an seinem
internen und internationalen Recht, und dadurch, daß etwas fak-
tisch Unerreichbares nicht Gegenstand der Treupflicht des Rei-
ches sein kann. Impossibilium nulla obligatio. Dieser Satz gilt
auch hier. Der Staatsraison aber dürfen Rechte deutscher Bür-
ger nicht ohne weiteres geopfert werden. Wo ein Wille, auch
ein Weg. Der Deutsche ist im Ausland vom Reiche zu schützen
nach Maßgabe rechtlicher und tatsächlicher Möglichkeit. Ueber
die Grenze des rechtlich Zulässigen und des tatsächlich Mög-
lichen haben die Organe unserer auswärtigen Verwaltung nach
bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden’, Sie haben das
5 JELLINEK, System der subjektiven öffentlichen Rechte. 2. Aufl. 1905.
Ss. 119, ®° LARAND a. a. 0.
’ Die Ausbildung eines Rechtsschutzes des Bürgers auch auf dem Ge-