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ob der elementare Teil sich nicht auf's Gymnasium verlegen ließe und den
Philologen ein elementarjuristisches Universitätsstudium neben dem philo-
logischen aufzuerlegen wäre. Daß den künftigen Staatsdienern auf dem
Gymnasium die Rechtskunde völlig vorenthalten bleibt, ist ein Unding und
beruht auf dem verschrobenen Idealismus der alten Pädagogenschule. Würde
das Gymnasium den Schüler schon in die Grundzüge der Rechts- und Wirt-
schaftsordnung einführen, so könnte sich ein praktisches Jahr unmittelbar
an das Gymnasium anschließen. Dann hätte man nicht nötig das Uni-
versitätsstudium durch einen Keil zu spalten. Im Vergleich zu der sinn-
losen Halbheit des Österreichisch-bayerischen Zwischenexamens bedeutet
ZITELMANNs Vorschlag entschieden einen Fortschritt.
Z2.s Schrift sollte von jedem Juristen gelesen werden. Es empfiehlt
sich, die Sache auf das Programm des Juristentages und des Hoch-
schullehrertages zu setzen.
Piloty.
Dr. Karl Hoffmeister, K. K. Ministerialsekretär und Privatdozent der K.K.
Hochschule für Bodenkultur in Wien, Die Grundgesetze aller
völkergeschichtlichen Entwicklung. Bei Karl Fromme.
Wien und Leipzig 1909. 83 S.
Die kleine Schrift führt einen die Skepsis recht herausfordernden Titel.
Man möchte ja das die Menschheit zumeist beschäftigende Problem wohl
gern auf 83 Druckseiten gelöst finden. In der Tat geht der Verfasser nicht
nur auf Stellung, sondern auch auf Lösung des Problems aus und man
muß ihm zugeben, seine Thesen sind das Endprodukt einer bedeutenden
kritischen Belesenheit und eines tiefen und selbständigen Gedankenganges
und sie verraten ungewöhnlichen geschichtlichen Ueberblick und einen hohen
Grad wirtschaftspsychologischer Reife. Die beiden Grundgesetze, deren
Dasein, Wirksamkeit, innerer Zusammenhang und Widerstreit dargelegt
werden, sind das biologische und das ökonomische. Die Allein-
herrschaft des ersteren läßt H. teilweise im Gegensatz zu Comte und Spencer
nur für die primitive Wirtschaftsstufe der Naturvölker gelten. Das öko-
nomische Gesetz, unter welchem das biologische auf höherer Stufe die Vor-
herrschaft verliert, angelt im Privateigentum und bringt mit diesem Arbeits-
teilung und Tauschverkehr. Auf ihm beruht das goldene Zeitalter der
wirtschaftlichen Entwicklung. In ihm aber liegt auch schon der Keim der
Entartung. Aus dem wucherischen Elemente, welches im Tauschverkehr
eingeschlossen ist, entsteht die selektionslose Klassenherrschaft des Kapitals.
Ihr Fluch ist die Unterdrückung des Mittelstandes, das Sinken der Kauf-
kraft der Masse. Der Staatssozialismus sammelt die entrechteten Massen
in seinem mechanischen Betriebe und treibt, Heilung suchend, die Klassen-
herrschaft, mit ihr aber auch den letzten Rest des Individualismus aus.
Von ihm zum wirklichen Sozialismus ist dann nur noch ein kleiner Schritt