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und dieser ist die Negation nicht nur des ökonomischen, sondern auch des
biologischen Gesetzes. Aus dem wirklichen Sozialismus gibt es dann nur
eine Rettung, nämlich Rückkehr zum Urzustand und Wiederbeginn der
Herrschaft des biologischen Gesetzes und damit des alten Kreislaufes. —
Eine Wahrheit steckt in diesem Gedankengang und eine Warnung zumal
für diejenigen, welche an die Möglichkeit einer Entartung des Kapitalis-
mus nicht glauben wollen und im Privatrecht nebst Erbrecht allein das
Allheilmittel gegen alle sozialen Schäden erblicken. Neu und bedeutsam
ist aber bei H. der Satz, daß Staatssozialismus und wirklicher Sozialismus
das Uebel der Entartung des Kapitalismus nicht zu heben, sondern nur
durch neue und schlimmere Uebel zu ersetzen vermögen. Im einzelnen
mag der Verfasser übertreiben, um zu charakterisieren, im ganzen ist die
kleine Schrift ein wertvoller Beitrag zur Wirtschaftsphilosophie und zur
„Lösung der sozialen Frage“. Es wäre zu wünschen, daß der Verfasser den
hier nur skizzierten Gedankengang in systematischer Form ausbeute.
Piloty.
Dr. Hermann Beuttenmüller, Der rechtliche Schutz des Ge-
hörs. Karlsruhe. G. Braunsche Hofbuchdruckerei. 1908. 61 S.
Die Monographie ist nicht nur wissenschaftlich wertvoll, sondern auch
von hervorragend aktuellem und kulturellem Interesse. B. stellt die bürger-
lich-rechtlichen, gewerbepolizeilichen und polizeistrafrechtlichen Normen
zusammen und erläutert kommentarisch die Bestimmungen dieser Rechts-
gebiete, welche zum Schutz des Gehörs bestehen. Das badische Polizeirecht
findet besondere Berücksichtigung. Der wissenschaftliche Wert der Schrift
liegt hauptsächlich in dem feinen Nachweis der Grenzen des bürgerlichen
und gewerblichen Rechtsschutzes. Verfasser beobachtet sehr richtig die
zunehmenden Lärm-Beschwerungen, unter welchen der Mensch der Gegen-
wart, besonders der Städter, zumal durch jene rücksichtslose Tonfreudigkeit,
die B. als „Musikpest“ bezeichnet, zu leiden hat. Er zitiert vorweg die
bekannte Klage SCHOPENHAUERSs über das zwecklose Lärmmachen in Deutsch-
land. B. läßt sich übrigens durch seine offenbare Tendenz der Abhilfe
nicht dazu verleiten, den bestehenden Normen eine extensive Auslegung zu
geben. Er ist ein ganz gewissenhafter, schulgerechter Kommentator des
geltenden Rechtes, Kommt er dabei auch zu dem erfreulichen Ergebnis,
daß dieses Recht vollkommen ausreiche, um jede ungebührliche Lärmbe-
lästigung durch private Klage, Konzessionsverweigerung, Einstellung von
Betrieben, Auflagen und Strafen entsprechend zu bekämpfen, so beklagt er
doch mit Recht die vielfach allzu laxe Praxis der Polizeibehörden in der
Anwendung der ihnen namentlich auf Grund des R.Str.G.B. 8 366 Ziff. 10 zur
Verfügung gestellten Befehls- und Zwangsrechte. Es ist übrigens nicht nur das
individuelle Rechtsgut der Kuhe, dem B. durch seine Schrift einen Dienst
geleistet hat; auch die Gehörskunst selbst, die Musik, hat sich bei ihm zu