Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 26 (26)

— 494 — 
So selbstverständlich eigentlich dieser Standpunkt für jeden ist, der 
nicht als Cyniker die internationalen Probleme behandelt, so ist es doch 
von nicht zu unterschätzender Bedeutung, daß die Regierung einer Groß- 
macht sich mit Bestimmtheit für den Grundsatz ausspricht, daß Treu und 
Glauben die Richtschnur für die Beobachtung der Staatsverträge ist. Ein 
Staat der darnach handelt, schützt dadurch allgemeine und damit mittel- 
bar eigene Interessen, die ungleich höher und wichtiger sind als die, wel- 
che er durch Verletzung der Vertragstreue momentan fördern könnte. 
Treu und Glaube sind im völkerrechtlichen Verkehr noch viel mehr als 
im privaten zu fordern, nicht nur weil von einer Staatsregierung eine 
höhere Noblesse der Handlungsweise erwartet werden darf, sondern weil 
ein Konflikt zwischen Staaten als Vertragsparteien nicht den sichern Aus- 
weg des Prozesses besitzt, vielmehr eine friedliche und schiedliche Austra- 
gung dann fast immer abgeschnitten ist, wenn eine oder beide Parteien 
innerlich von der Güte ihrer Sache nicht überzeugt sein können. 
Max Huber. 
Bornhak, Rußland und Finnland. Ein Beitrag zur Lehre 
vonden Staatenverbindungen. 2. Aufl. Leipzig 1909. 
Unter den Kundgebungen der wissenschaftlichen Welt zur finnischen 
Frage verdient die in zweiter Auflage erschienene Schrift BORNHAKs wegen 
der überaus knappen, klaren und sachlichen Behandlung des Stoffes beson- 
dere Beachtung. Der Verfasser kommt zu dem Resultat, daß auf dem 
Landtag zu Borgo, als Finnland lediglich okkupiertes schwedisches Territorium 
war, unter Zuhilfenabme derstaatsrechtlichen Formen Schwedens eine neue 
ständisch-konstitutionelle finnische Staatsgewalt begründet wurde. Eine 
völkerrechtliche Anerkennung dieser neuen Staatsgewalt und damit die 
Schaffung eines neuen Völkerrechtssubjekts „Finnland“ ist nie erfolgt, denn 
im Friedensvertrag von 1809 wurde Finnland schlechthin an Rußland ze- 
diert. Durch diese Vorgänge entstand eine Diskrepanz zwischen dem 
staatsrechtlichen und dem völkerrechtlichen Status Finnlands, in dem es 
nach ersterem in Bezug auf die inneren Verhältnisse, für Land und Leute, 
eine besondere und zwar konstitutionelle Staatsgewalt besitzt, nach letzte- 
rem aber einen integrierenden Bestandteil[eines Reiches bildet, auf dessen 
auswärtige Politik es keinen rechtlichen Einfluß ausübt. Aber auch wenn 
man die Vorgänge von 1809 zunächst als eine vollkommene Inkorporation 
in das absolute Kaisertum Rußland ansehen wollte, so wäre durch die Er- 
klärungen Alexanders I. 1809 und Alexanders II. 1869 für den finnischen 
Teil des russischen Reichs eine Konstitution geschaffen worden, deren 
Rechtsbeständigkeit und Unaufhebbarkeit ebenso außer Frage stünde, als 
diejenige irgend einer oktroyierten Verfassung. 
Die rechtliche Stellung Finnlands läßt sich nicht restlos in einer der 
Kategorien Einheitsstaat, Realunion usw. unterbringen, sondern ist als ein
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.