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SCHEIBKE geht einen selbständigen Weg und gibt dabei manche
dankenswerte Anregung. Er kommt zu dem Ergebnis, daß jeder nicht
sanktionierte Gesetzesbeschluß mit dem Wegfall desjenigen Parlaments er-
lösche, das ihn gefaßt habe. In der Hauptsache sind seine Ausführungen
m. E. nicht überzeugend. Er geht aus von der Unterscheidung vollendeten
und unvollendeten Staatswillens: als vollendeten Staatswillen bezeichnet er
solchen Staatswillen, der als Wille der juristischen Person Staat perfekt
geworden sei; unvollendeter Staatswille ist ihm dagegen solcher von einem
Staatsorgan erzeugter Wille, der erst durch nachträgliche Vereinigung mit
dem Willen eines andern Staatsorgans perfekter Wille der juristischen
Person Staat werde. Der unvollendete Staatswille, so behauptet er, verliere
seine Wirksamkeit mit dem Wegfall des Organs, das ihn erzeugt habe
Der Beweis dieses Satzes, der eine wesentliche Stütze seines Endergebnisses
bildet, scheint mir ihm nicht gelungen zu sein. SCHEIBKE leitet den Satz
aus mehreren Beispielen her. Davon enthält das Beispiel von der Zustim-
mung des Bezirksausschusses zu einer Polizeiverordnung des Regierungs-
präsidenten in Preußen eine petitio principii. Dasselbe gilt wahrscheinlich
auch von den übrigen Beispielen: der gemeinschaftlichen Verordnung meh-
rerer Minister oder mehrerer Mitregenten und von der Gegenzeichnung des
Ministers zu einer gegenzeichnungsbedürftigen Willenserklärung des Monar-
chen. Es ist z. B. keineswegs sicher, daß die von einem Minister gegen-
gezeichnete Begnadigung, die erst durch die Bekanntgabe an den Begnadigten
rechtliche Wirksamkeit erlangt, nicht nach der Entlassung des Ministers
dem Begnadigten noch rechtswirksam auf Grund der Gegenzeichnung des
inzwischen entlassenen Ministers im ordentlichen Geschäftsgange bekannt
gegeben werdenkann. Die von SCHEIBKE herangezogene Frage der Verantwort-
lichkeit hat damıt kaum etwas zu tun; denn die Verantwortlichkeit für Amts-
handlungen, die während der Amtsführung vorgenommen sind, geht mit der Ent-
lassung des Beamten aus dem Amte oder aus dem Staatsdienste nicht unter,
Anerkennung verdient die erschöpfende Darstellung, welche SCHEIBKE
von der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung der Sanktions- und Publi-
kationsfristen in den außerdeutschen und deutschen Staaten gibt. Eine
gleiche, aber weniger ausführliche Darstellung gibt davon auch PABsT.
SCHEIBKES Arbeit ist als Band VI Heft 4 der von ZORN und STIER-SOMLO
herausgegebenen Abhandlungen aus dem Staats-, Verwaltungs- und Völker-
recht erschienen und gereicht dieser Sammlung zur Zierde.
Flensburg. Amtsrichter Frormann.
Georg Eger, Dr. iur. Geheimer Regierungsrat, Das internationale
Uebereinkommen über den Eisenbahn-Frachtver-
kehr in der Fassung des Zusatzübereinkommens
vomi9. September 1906 undin Verbindung mit den ein-
heitlichen Zusatzbestimmungen desinternationa-