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Das Staatsrecht des Königreichs Belgien. Von Dr. Paul
Errera, ord. Professor an der Universität Brüssel 1909. Tübingen,
Verlag von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck).
Im Jahre 1886 ist im 4. Band des MARQUARDSENschen Handbuchs des
öffentlichen Rechts eine Darstellung des belgischen Staatsrechts von dem
Professor an der Universität Brüssel Dr. M. VAUTHIER erschienen; an die
Stelle von MARQUARDSENS Sammelwerk ist vor 5 Jahren das von JELLINEK,
LABAnD und PıLoTy herausgegebene „Oeffentliche Recht der Gegenwart‘
getreten, den 7. Band dieses neuen Sammelwerks bildet die Bearbeitung
des Staatsrechts des Königreichs Belgien von ERRERA. Der Umfang des
Buchs ist von 273 Seiten im Jahre 1886 auf 460 Seiten angewachsen. Die
Gliederung des Stoffs ist dem das Sammelwerk beherrschenden Systeme
angepaßt: in neun Hauptabschnitten werden die Verfassung, die wesent-
lichsten Elemente des Staats — Staatsgebiet, Kolonien, Bevölkerung —, die
Organisation des Staats mit den Zentralgewalten, das Staatsvermögen und
das Finanzwesen, die bewaffnete Macht, die Provinzial- und Kommunalein-
richtungen, die Landesverwaltung, die internationale Lage Belgiens, der
Kongo behandelt.
Die auf gesetzlicher Grundlage beruhenden Einrichtungen im König-
reich Belgien sind vollständig, übersichtlich und gemeinverständlich darge-
stellt, wer in dieser Richtung eine Belehrung sucht, wird die Mühe des
Nachschlagens belohnt finden; die Darstellung verbindet deutsche Gründ-
lichkeit mit französischer Klarheit. Die geschichtliche Betrach-
tung tritt zurück. Eine wenn auch nur gedrängte Darstellung der Ge-
schichte der ehemaligen belgischen Einrichtungen, eine „historische Einlei-
tung“ hat der Verfasser, wie er im Vorwort auseinandersetzt, absichtlich
vermieden, er hat vorgezogen bei einzelnen Gegenständen mit einigen Wor-
ten auf die für das Verständnis derselben unerläßlichen historischen Begriffe
einzugehen: so ist namentlich bei der Verfassung, bei der flämischen Frage,
bei der Gestaltung des politischen Wahlrechts, bei den Kommunaleinrich-
tungen, bei dem Unterrichtswesen, bei den Beziehungen zwischen Staat und
Kirche die geschichtliche Entwicklung, insbesondere seit dem Jahre 1830
mehr oder weniger ausführlich geschildert. Außerhalb des von dem Buche
verfolgten Zwecks liegt ein Eingehen auf die Einzelheiten des Rechtes und
des Gangs der staatlichen und kommunalen Verwaltung, eine erschöpfende
Aufzählung der den Behörden zukommienden Aufgaben und Befugnisse, eine
Erörterung und Entscheidung untergeordneter staatsrechtlicher Streitfragen,
doch ist bezüglich solcher Punkte in den Fußnoten durch die Hinweisung
auf die einschlagenden Gesetze, Verordnungen und wissenschaftliche Bear-
beitungen der Weg zu weiterer Belehrung gewiesen.
Für ein industriell so hoch entwickeltes Land wie Belgien ist von be-
sonderer Bedeutung die Sozialgesetzgebung; sie ist auch in unse-
rem Buche eingehend mit Liebe und Verständnis auf S. 289—312 behandelt.