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Wenn trotz dieser allgemeinen Uebereinstimmung von der
britischen Regierung ein scharfer Protest gegen die Versenkung
des Knight Commander erfolgte, wenn BALFOUR in der Sitzung
des Unterhauses vom 11. August 1904 !% die Versenkung neu-
traler Prisen als „international outrage“ bezeichnete, so wird man
mit dem englischen Völkerrechtslehrer HOLLAND !’ sagen müssen,
daß ein solcher Standpunkt, der sich aber ausschließlich auf das
britische Recht stützt, sehr schwer zu verteidigen ist. Gewib ist
es richtig, was von englischer Seite stets angeführt wurde, daß
nationale Prisenreglements kein internationales Recht schaffen
können, aber es gibt Fragen, wo die übereinstimmende Praxis
und Rechtsanschauung einer Gruppe von Staaten stark genug
ist, um sich gegenüber abweichenden Ansichten (zewicht zu ver-
schaffen. Dieser Zustand ist gerade im Gebiete des internatio-
nalen Seekriegsrechts bedauerlicherweise besonders bemerkbar
gewesen. Wie oft stand nicht die kontinentale Rechtsanschauung
der britisch-insularen diametral gegenüber. Jede Partei hielt
ihre Anschauung für völkerrechtlich besser begründet. Die Aus-
fechtung der theoretischen Frage war einfach zur Machtfrage
geworden. Wenn man sich diesen Zustand vergegenwärtigt, so
wird man die Erfolge der zweiten Haager Friedenskonferenz und
besonders der Londoner Konferenz auf dem (sebiete des See-
kriegsrechts nicht hoch genug anschlagen dürfen. Die Beschlüsse
dieser beiden Konferenzen bedeuten die friedliche Austragung
jahrhundertelanger Differenzen. Eine solche Differenz war auch
"6 Parliamentary Debates vol. 140 p. 208ff.; vgl. auch die Rede Lord
Lansdownes im Oberhaus vom 28. Juli 1904 Parliamentary Debates vol. 138,
p. 1434,
1? Hollands Vortrag vor der British Academy, Revue de droit int. 1905,
p. 359 ff. „Il est difficile de proclamer que cette indulgence* (relächer les
navires) „constitue une r&gle &tablie du droit international devant les faits
que dans certaines circonstances les codes des prises non seulement de la
Russie mais aussi de pays comme la France, les Etats-Unis et le Japon
permettent de couler. bas des prises neutres.“