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führung von Konterbandewaren, durch Unterhalten von Handels-
beziehungen mit blockierten Plätzen u. a. begünstigen. Sie ver-
hindern eine solche Begünstigung durch Beschlagnahme, Ein-
bringung und gegebenenfalls Einziehung des Schiffes. Die neu-
tralen Eigentümer haben das entgegenstehende Interesse, ihr
Eigentum während eines Seekrieges von den Kriegführenden mög-
lichst unbelästigt zu erhalten. Dieses Interesse findet seinen Aus-
druck in der Regel, daß das Schiff vor seiner Einziehung in einem
ordnungsmäßigen Prisenverfahren abgeurteilt werden muß. Der
Krieg mit seinen Wechselfällen bringt aber Notlagen mit sich,
in denen beide Interessen so hart aneinanderstoßen, daß der
Ausgleich der Konflikte auf dem für die Regel vorgezeichneten
Wege unmöglich ist. Gerade im modernen Seekriege kommt es
vor, daß ein Kriegführender aus bestimmten Gründen ein neu-
trales Schiff, das sich eines Neutralitätsbruchs schuldig gemacht
hat, nicht einbringen kann, um es im regelmäßigen Wege ab-
urteilen zu lassen. Die beiden Alternativen, die er hat, sind
also die: entweder zu gestatten, daß seinem Feinde ein Vorteil
erwächst, der ihm selbst zum Schaden gereichen kann und das
Schiff loszulassen — oder das Schiff zu zerstören und die Be-
urteilung dieses Schrittes dem späteren Prisenverfahren vorzu-
behalten.
Ein durch keine völkerrechtlichen Präzedenzen beeinflußter
Beurteiler wird in solchen Ausnahmefällen geneigt sein, dem
Interesse des Kriegführenden das Uebergewicht zuzuerkennen und
das Notrecht des Krieges anzuerkennen. Dieses Notrecht ist,
wenn es wirklich eine Ungerechtigkeit für den Neutralen in sich
schließt, stets durch einen Prisenspruch, der auf volle Entschä-
digung lautet, reparabel. Der gegenteilige Standpunkt könnte
unter Umständen dem Kriegführenden einen irreparablen Scha-
den bringen. Das Recht der Zukunft, das aus den Haager und
Londoner Beratungen hervorgegangen ist, hat diesen Standpunkt
anerkannt.
Archiv für öffentliches Recht. XXVL. 4. 35